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Geliebte Diebin

Geliebte Diebin

Titel: Geliebte Diebin
Autoren: Lisa Jackson
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Prolog
    Schloss Serennog
    November 1283
     
    »Du verlangst etwas Unmögliches von mir!« Apryll funkelte ihren Bruder empört an. Sie übergab die Zügel ihrer ruhelosen Stute dem Stalljungen und runzelte die Stirn, während sie zu dem nichts Gutes verheißenden Himmel emporspähte. Dunkle Winterwolken ballten sich über ihnen und ein scharfer Wind heulte um den Außenhof des Schlosses, das in den ganzen zweiundzwanzig Jahren ihres Lebens ihr Zuhause gewesen war.
    Ihre Röcke waren voller Lehm, der verflixte Sturm zerrte an ihrem Haar, als sie auf die große Halle zustrebte. Payton, ihr Halbbruder, ging an ihrer Seite, und sie war sicher, dass er verrückt geworden war. »Ich kann mich nicht in das Schloss Black Thorn schleichen und den Lord mit meinem ... meinem Charme - das hattest du wohl gesagt - verführen. Das ist es doch, was du willst: Ich soll das Biest von Black Thorn >verzaubern<, während du ... während du ... was? Du willst seine Juwelen und seine Pferde stehlen? Das ist Wahnsinn.«
    »Du wirst dich nicht in das Schloss schleichen müssen. Während der Weihnachtsfeierlichkeiten ist das Fallgatter hochgezogen und die Tore von Black Thorn stehen weit offen«, versicherte ihr Payton. Sein Kinn war störrisch vorgeschoben, in seinem kantigen Gesicht stand Entschlossenheit. Er trat mit einem Schritt vor sie und griff nach ihren beiden Armen, so dass sie stehen bleiben musste, gerade als die ersten Regentropfen fielen. »Sieh dich doch nur um«, befahl er. Verzweiflung und der Wunsch nach Rache spiegelten sich in seinen Zügen, als er darauf bestand, dass sie das einst so luxuriöse Schloss betrachtete, das jetzt zu einer Ruine zerfiel. Von einigen der Hütten im Schlosshof war das Stroh von den Dächern geweht worden. Balken waren verrottet, selbst der Mörtel in den dicken Mauern der Kurtinen, die das Schloss umgaben, löste sich. Die Steinchen lagen in dem verdorrten Gras. Winteräpfel, verschrumpelt und Voller Würmer, hingen an den ansonsten kahlen Bäumen. Die Schafe drängten sich schützend gegen den eisigen Wind zusammen. Ihr Fell war schwarz vom Lehm und Dung, ihr Blöken war Mitleid erregend.
    »Du kannst doch nicht so blind sein, dass du nicht siehst, dass es im ganzen Wald nicht genügend Holz gibt, um uns durch den Winter zu bringen. Die Herden sind krank* der Vorrat an Korn ist voller Ratten, und die Pferde sind bis auf die Knochen abgemagert. Die Lager mit Weizen und Gewürzen sind beinahe leer. Die Wolle, um neue Kleidung zu weben, ist knapp, weil die Schafe sterben. Du bist die Schlossherrin«, rief er ihr ins Gedächtnis, als sie seine Hände beiseite schob und weiterging. Sie eilte durch den inneren Schlosshof, wo gackernd die Hühner herumpickten. Ausgerupfte Federn schwammen in den Pfützen, die sich auf dem zerfurchten Weg gebildet hatten. »Es ist deine Pflicht, den Menschen zu helfen, die dir dienen.«
    »Aye, Payton, ich weiß, ich muss etwas tun«, gestand sie mit einem schweren Seufzer. Nur wenige Hämmer der Zimmermänner waren zu hören, die gegen die Übermacht der Reparaturen ankämpften. Obwohl das Feuer der Schmiede hell brannte, so würden doch die Blasebalge nur noch für kurze Zeit zu hören sein, denn im Schloss gab es keinen Stahl mehr.
    Jungen liefen durch den Hof mit Säcken voller Eicheln, die sie für die Schweine gesammelt hatten. Aber schon bald würden die wenigen Vorräte an Futter, die geerntet und gesammelt worden waren, aufgebraucht sein. Apryll schlang ihren Umhang fester, biss sich auf die Lippen und hastete die Stufen zum Schloss hinauf.
    Ein magerer Wachmann mit einem pockennarbigen Gesicht und traurigen Augen öffnete ihr die Tür. »M'lady«, grüßte er mit dem Anflug eines Lächelns.
    »Geoffrey« Sie blieb stehen, ehe sie das Schloss betrat und fühlte, wie ihr der Regen unter der Kapuze über das Haar rann und dann über ihr Gesicht lief. »Wie geht es Eurer Frau?«
    Er blickte zu Boden und presste die Lippen zusammen, dann räusperte er sich. »Mary - es geht ihr gut. Sobald die Babys - die Hebamme sagt, es werden Zwillinge - da sind, wird sie bald wieder auf den Beinen sein, glaubt mir. Mary ist ein starkes Mädchen.« Doch sein Blick strafte den Mut in seinen Worten Lügen.
    »Ich werde dafür sorgen, dass der Arzt zu ihr kommt und die Köchin ihr die beste Suppe kocht. Ich werde sie ihr selbst bringen.«
    »Ihr seid sehr freundlich, M'lady« Geoffrey nickte, und ihm gelang ein dankbares Lächeln, während er die Tür hinter ihr schloss. Apryll
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