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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling
Autoren: Rainer Maria Rilke
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giebt ein Fest, Rom, wenn er über die Campagna herüberkommt, schon müde
vor lauter Gefühl, – Rom nimmt ihn auf wie der Vater den verlorenen Sohn), aber nur von zwei Städten erfuhr ich, dass sie von ihm durchdrungen sind, dass in ihrem Pflaster, in den Häuserfronten, in dem auf einmal nicht mehr kalten Geländer der Brücken keine Stelle ist, die ihn nicht heimlich hat eingesagt bekommen, die ihn weiß, und die ihn, auf die leiseste Frage in der Luft, morgen wird antworten können, jede, jede ohne Fehler das ganze Gedicht –: Moskau, das ihn eingesteht, wie ein Bauernkind die Schöpfungsgeschichte, die es gut auswendig kann, – und Paris, Paris, das ihn dem Licht in die Augen wirft wie den Blüthenstaub aller Liebe, die sich, seit den Tagen Abälard's, in ihm entzückt und verschwendet hat.
    Jetzt ist mir der Frühling der fühlbarste, den ich vom südlichen Italien her wusste und vor dem ich, genau vor einem Jahr, in der südspanischen Berglandschaft stand, namenlos fühlend. Dort, wo man die Sonne den ganzen Winter über nicht nur als Bild gegenwärtig hat, sondern in kaum verminderten Einwirkungen begreift man nicht so sehr aus ihr das unaufhaltsame Glück, das sich ereignen will, sogar sieht man ohne zu große Lust die Fortschritte einiger kleiner Mandelbäume und die zunehmende Prahlerei des Himmels, aber lass nur unvermuthet einen lauen verdeckten Tag kommen, horch, wie von früh an ein Gefühl mehr ist in den Vogellauten, wie sie dunkler geworden sind, sich fast ernst abheben, sich rein hinmalen in die weiche Stille; tritt hinaus: fast mit der Schonung die Du von der Innenseite Deiner eignen Lider kennst, ruht das Grau Dir an das Aug, fast wie Schlaf; und da erst wird Dir der Bäume, über Nacht blühenderes, Rosa zum Wunder, da es stark ist vor der Unscheinbarkeit des verhaltenen Regens, stark aus Seeligkeit (gar nicht überschwänglich) und nun stell Dich so, dass es die Erde zum Hintergrund hat, sieh: unsere, die
schwere bereitete mühsame Erde: auch so ist es noch stark, das Rosa –, anders stark, wie man stark ist, wenn man nicht weinen will.
    (Stellen aus meinem Taschenbuche, geschrieben vor einem Jahr in Spanien, angesichts der Mandelbäume):
    Die Mandelbäume in Blüthe: alles, was
wir hier leisten können, ist, sich ohne Rest er-
kennen in der irdischen Erscheinung.
Unendlich staun ich euch an, ihr Seeligen, euer Benehmen,
wie ihr die schwindliche Zier traget in ewigem Sinn.
Ach wer's verstünde zu blühn: dem wäre das Herz über alle
schwachen Gefahren hinaus und in der großen getrost.
    (Und ein paar Tage später, dies):
    Die kleinen Vögel in den Stein-Eichen, nicht-
mehr Prosa redend, dichten schon ein wenig. Wie
ein leichtes Wasser plätscherte dem einen das Herz.
Woher die Innigkeit der Kreatur? –
An einen Stern gelehnt, dies zum Ereignis
nehmen. Daran glauben. – Am Bach
Sumpfdotterblumen gepflückt, fast grün
ein wenig ganz neues Gelb im letzten
Augenblick in den Kelch hineingemalt. Im
Innern, um die Staubgefäße herum, ein
ölgetränkter Kreis –, als hätten sie Butter
genascht. Grüner Geruch aus den schlauchigen
Stengeln. Ihn dann in der Hand zurück-
geblieben finden, durch ihn recht verwandt.
Freundinnen, einst in der Kindheit, mit ih-

ren heißen Händen … war es dies, was
einen so rührte? … … … … … … …
    Hattingberg (9. 2. 1914), 64-66
    » E inst«, hauchte der Dichter und machte eine Bewegung mit der Hand, mit welcher er dieses Einst noch weiter zurückdrängte, »einst war das vielleicht so, wie es in alten Gedichten steht – der Frühling: ›Licht und Liebe und Leben‹. Wer das noch glaubt, belügt sich.« Er seufzte tief.
    Wie schade, dachte der Maler, also kein Frühling mehr.
    Machal aber erhob sein Gesicht, das durch große Sommerflecken entstellt war, hoch in das klare Nachmittagslicht und konnte durch das Fenster gerade die Rampe des Nationaltheaters sehen, längs welcher ein Schutzmann auf und nieder ging. Das wollte er nun gerade niemandem zeigen, allein er sagte gleichwohl:
    »Schaut nur hinaus. Dieser Kampf mit den blöden brachen Schollen, den jeder der feinen schwachen Keime kämpfen muß, um zu seinem Sommer zu kommen. Hier«, und er schraubte sich noch ein wenig höher – »steht die hilflose Blüte und will blühen; das ist das einzige, was sie kann, sie kann nur blühen, und sie will wirklich niemanden stören damit, und doch sind alle gegen sie: die schwarzen Krumen, die sie nur nach langem Bitten durchlassen, die
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