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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Dabei war Blume ihm nicht gleich Blume, Vogelruf nicht gleich Vogelruf. So lesen wir nicht nur, mit welchem Grundton der Kuckuck auf den Frühling einstimmt – auf seine »zerstreute und verschwenderische Art« »wagrecht ins Jahr hinein« –, sondern auch, wie die Amsel »tief und versonnen« singt, und wie Fink, Meise, Lerche, Specht und Nachtigall das neue Jahr begrüßen.
    Die Erscheinungen des Frühlings erwecken in Rilke eine Sehnsucht nach inniger Verbundenheit mit der Natur, ma
chen ihm aber auch immer wieder eine tiefe Entfremdung fühlbar, so als wäre ein uraltes Verständnis zwischen Mensch und Natur verloren gegangen: »Ach zwischen mir und diesem Vogellaut: was war verabredet?« Kinder leben vielleicht noch manchmal in einer inneren Einheit mit der Welt, aber schon Jugendliche merken bald die Gleichgültigkeit der Natur ihnen selbst gegenüber – spätestens bei den ersten Liebesleiden, wenn sie auf einen herrlichen Frühlingstag fallen.
    Frühling, das ist für Rilke schließlich auch das Osterfest, das er in seiner ganzen Tiefe und Breite heraufbeschwört vom Gedicht über die Einsamkeit Christi im »Ölbaum-Garten« Gethsemanes bis hin zum launigen Brief über Ostereier-Suche an seine Tochter Ruth. Wer hätte gedacht, daß der spätere Autor der »Duineser Elegien« sogar die Verse eines Ostergedichtes in Ei-Form trimmte, auf daß sie ein ausgeblasenes Osterei schmücken können?
     So mögen die vorliegenden Texte als Einladung an den Leser verstanden werden, sich mit und durch Rilke ganz persönlich auf den Frühling einzulassen. Diese Verführung durch den Frühling beschreibt Rilke in einem der vielen großartigen, aber bisher wenig beachteten Texte, die diesen Band ausmachen – einem Anruf an einen Schmetterling (S. 56). In der Betrachtung eines Schmetterlings bei seinem Flatterflug durch einen Apriltag fühlt der Dichter auf einmal, wie sein Blick, dem Schmetterling wie ein Faden folgend, mit in den Tag eingewebt wird. Und er gibt nach und läßt sich's gefallen und wird ganz Teil des Frühlingstages:

    Doch nun hast du meines Blickes Faden
eingezogen ins Aprilgeweb,
und ich tu dem frohen Teppich Schaden,
wenn ich noch im Webstuhl widerstreb.

    Einen Frühlingsteppich aus Rilke-Gedichten, -Briefen und -Erzählungen soll auch diese Anthologie darstellen, auf daß der Leser bei seiner Lektüre noch manchen eigenen Lese-Faden kreuz und quer hineinweben möge.

    Thilo von Pape  
    Verwendete Ausgaben mit Kurztiteln
    Andreas-Salomé · Rainer Maria Rilke – Lou Andreas-Salomé: Briefwechsel. Herausgegeben von Ernst Pfeiffer. Frankfurt am Main 1975
     Briefe I , II · Rainer Maria Rilke: Briefe. Herausgegeben vom Rilke-Archiv in Weimar; in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke besorgt durch Karl Altheim. Wiesbaden 1950
     Hattingberg · Rainer Maria Rilke: Briefwechsel mit Magda von Hattingberg. Herausgegeben von Ingeborg Schnack und Renate Scharffenberg. Frankfurt am Main und Leipzig 2000
     Heydt · Rainer Maria Rilke: Die Briefe an Karl und Elisabeth von der Heydt. 1905-1922. Herausgegeben von Ingeborg Schnack und Renate Scharffenberg. Frankfurt am Main 1986
     Key · Rainer Maria Rilke – Ellen Key: Briefwechsel. Herausgegeben von Theodore Fiedler. Frankfurt am Main und Leipzig 1993
     A. Kippenberg I , II · Rainer Maria Rilke: Briefwechsel mit Anton Kippenberg. 1906-1926. Herausgegeben von Ingeborg Schnack und Renate Scharffenberg. Frankfurt am Main 1995
     K. Kippenberg · Rainer Maria Rilke – Katharina Kippenberg: Briefwechsel. Herausgegeben von Bettina von Bomhard. Wiesbaden 1954 
     Mitten im Lesen · Rainer Maria Rilke: Mitten im Lesen schreib ich Dir. Ausgewählte Briefe. Herausgegeben von Rätus Luck. Frankfurt am Main und Leipzig 1996
     Münchhausen · Rainer Maria Rilke: Briefwechsel mit Thankmar von Münchhausen. 1913-1925. Herausgegeben von Joachim W. Storck. Frankfurt am Main und Leipzig 2004
     Nádherný · Rainer Maria Rilke – Sidonie Nádherný von Borutin. Briefwechsel 1906-1926. Herausgegeben und kommentiert von Joachim W. Storck. Göttingen 2007
     Nostitz · Rainer Maria Rilke – Helene von Nostitz: Briefwechsel. Herausgegeben von Oswalt von Nostitz. Frankfurt am Main 1976
     Schweizer Freunde · Rainer Maria Rilke: Briefe an Schweizer Freunde. Erweiterte und kommentierte Ausgabe. Herausgegeben von Rätus Luck. Frankfurt am Main und Leipzig 1994
     Tagebücher · Rainer Maria Rilke: Tagebücher aus der Frühzeit
[1942]. Herausgegeben von Ruth
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