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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling
Autoren: Rainer Maria Rilke
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gestreifte Tülpchen (weiß-roth), rothe volle Ranunceln, gefüllte Anemonen von glücklichster Helligkeit–, Fräßien … . und zu diesen kamen dann Blumen um Blumen von allen Seiten, – so daß Leni am Abend eine ganze Übersiedlung ins Kühle zu bewerkstelligen hat. – Sie hat die Ostereier, (sie stehen noch zu meiner Linken auf dem Schreibtisch) köstlich zu färben verstanden, – blaue und rothe mit Farbe, die grün-gelben aber erhielten ihre sehr entzückende surface durch Einbindung in Gräser und Kräuter, deren zarte Blutenformen sich außerordentlich fein abgeprägt haben, die Veilchen haben sogar ein blaues Grün abgegeben aus ihren Vor
räthen von Lila –. Das waren die Ostervorbereitungen –: aus den Feiertagen selbst ist nicht viel zu berichten, – ich war nicht recht wohl, indisponiert wie vor einer Erkältung, – vielleicht nur als Spiegelung des Wetters, das Anstrengungen macht, anders zu werden und dessen Schwankungen mir im Frühling immer viel empfindlicher werden, als im Herbst. (Wie überhaupt der Frühling so recht eigentlich die Zeit des Unbeschützt- und Wehrlosseins darstellt, daher soviel alte Leute, die sich im Herbst und Winter hinhalten, an ihm sterben.)
    Wunderly I (30. 3. 1921), 399 f.
    O
das Proben
in allen Vögeln geschiehts.
Horch, die kleine Treppe des Lieds,
und oben:
noch nichts
doch
der Wille
so groß schon und größer das Herz;
sein Wachsen im Raume unendlich gewährts
die Stille:
des Lichts.
    (In Oster-Ei-Form)
    Werke II , 462
    KINDHEIT
    D a rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen …
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen
und auf den Plätzen die Fontänen springen
und in den Gärten wird die Welt so weit –.
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen –:
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.
    Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen –:
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.
    Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblaßt,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen,
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen Schritten
nachhaus zu gehn, fest angefaßt –:
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.
    Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre, gleiche

und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien –:
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.
Wohin? Wohin?
    Werke I , 384 f.
    DAS KARUSSELL
    Jardin du Luxembourg
    M it einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.
    Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,
nur daß er einen Sattel trägt und drüber
ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.
    Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.
    Und dann und wann ein weißer Elefant.
    Und auf den Pferden kommen sie vorüber,
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge

fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge
schauen sie auf, irgendwohin, herüber –
    Und dann und wann ein weißer Elefant.
    Und das geht hin und eilt sich, daß es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil –.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel …
    Werke I , 530 f.
    S ie kennen ja Paris um diese Zeit und wissen, daß man hier nicht um den Frühling kommt. Diese Stadt, die alles für sich zu nutzen weiß, läßt ihn ganz herein, spielt mit ihm, spiegelt ihn in die Himmel zurück mit dem Aufgehen ihrer Fenster. In welcher Stadt sonst kann man jenem Wind begegnen, der heute morgen im Luxembourg-Garten war. Muß ich sagen welcher? Ach, der Wind, der einem das Herz abnimmt, so daß man es auf einmal nicht selber tragen muß: er trägt es
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