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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling
Autoren: Rainer Maria Rilke
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liegt unser wahrstes Erwerben. Wollte Gott, daß unsere Hände wären, wie unsere Augen sind: so bereit im Erfassen, so hell im Halten, so sorglos im Loslassen aller Dinge; dann könnten wir wahrhaft reich werden. Reich aber werden wir nicht dadurch, daß etwas in unseren Händen wohnt und welkt, sondern es soll alles durch ihren Griff hindurchströmen wie durch das festliche Tor des Einzugs und der Heimkehr. Nicht ein Sarg sollen uns die Hände sein: ein Bett nur, darin die Dinge dämmernden Schlafes pflegen und Träume tun, aus deren Dunkel heraus ihre liebsten Verborgenheiten reden. Jenseits der Hände aber sollen die Dinge weiterwandern, stämmig und stark, und wir sollen von ihnen nichts behalten als das mutige Morgenlied, das hinter ihren verhallenden Schritten schwebt und schimmert.
    Denn Besitz ist Armut und Angst; Besessenhaben allein ist unbesorgtes Besitzen.
    Tagebücher, 130
    INITIALE
    G ieb deine Schönheit immer hin
ohne Rechnen und Reden.
Du schweigst. Sie sagt für dich: Ich bin.
Und kommt in tausendfachem Sinn,
kommt endlich über jeden.
    Werke I , 409
    M anchmal noch empfind ich völlig jenen
Kinder-Jubel, ihn :
da ein Laufen von den Hügellehnen
schon wie Neigung schien.
    Da Geliebt-Sein noch nicht band und mühte,
und beim Nachtlicht-Schein
sich das Aug schloß wie die blaue Blüte
von dem blauen Lein.
    Und da Lieben noch ein blindes Breiten
halber Arme war –,
nie so ganz um Einen, um den Zweiten:
offen, arm und klar.
    Werke II , 121
    Meudon, am 12. April 1906. Donnerstag vor Ostern

    E rinnerst Du Dich noch, meine liebe kleine Ruth, was für eine Menge Eier wir voriges Jahr zu Ostern in Worpswede gefunden haben? Auf dem Weg zur Kuhle haben die ungeschickten Hasen sie verloren. Rechts war eines, links wa
ren zwei, blaue und gelbe und rote und violette, und in der Kuhle da staken sie im Sand und lagen in ganzen Nestern beisammen. Und wir liefen alle herum und suchten und es waren immer noch welche da, und schließlich war Großmutter so müde geworden, daß sie sich hinlegte und einschlief und wir hätten sie beinahe vergessen, als wir wieder nachhause gingen, um in Fräulein Meyer's Haus Cacao zu trinken. Ich weiß das alles noch ganz gut und Helmuth wird es auch wissen; (frag ihn mal) und Großmutter auch.
    Heuer aber bin ich nicht in Worpswede, sondern hier ganz nahe bei Paris, in meinem kleinen Häuschen, (das so aussieht, wie Du es hier siehst) und ich gucke schon immer ein bißchen zu, ob nicht auch hier was zu finden ist, aber ich sehe keinen Hasen und ich glaube, er kommt gar nicht in unseren Garten, weil wir diese drei Hunde haben, die immer aufpassen; vor denen fürchtet er sich gewiß. Und wenn ich anfange, hier im Grase zu suchen, dann kommen sie auch gleich, die drei neugierigen Hunde. Und wenn ich meine Hand unter die kleinen grünen Blätter stecke und in das Gras, das ganz neu ist, um zu sehen, ob nicht was darunter ist, dann stecken sie ganz schnell ihre Nase dazu, ihre kalte nasse Nase, und sie sind immer um mich und nicken sich gegenseitig zu und sagen sich auf hundisch: »Er sucht was für uns.« Das ist aber, wie Du weißt, gar nicht wahr. Ich denke an Dich, meine liebe liebe kleine Ruth. Helmuth, den ich herzlich grüße, soll mal mit dem Hasen sprechen und soll ihm sagen, daß Ihr umgezogen seid und wo Ihr jetzt wohnt. Ich küsse Dich, liebe kleine Ruth.
    Dein Väterchen
    Briefe I (Ruth Rilke, 12. 4. 1906), 123 f.
    O stern, Liebe: Haase und Rosen kamen rasch hinter einander am Samstag vor dem Feste. Er erschien so enorm, der Nesthaase, und nun hab ich ihn doch schon, unter einigen Abgaben an Anni, bis an die Basis hinunter aufgezehrt. Narzissen und Iris standen in der Milchglas-Vase – stehen noch – auf dem runden Tische, die Rosen auf dem Spinett: wunderbar, – an denen find ich mich doch am Leichtesten wieder, ich Verlorner, immer wenn ich durch den Athem ihres Dufts schritt, unversehens, dacht: c'est pourtant moi, – und mein Leben glänzte leise auf, weit zurück, an seinen dunkelsten Stellen …
    Wunderly I (8. 4. 1920), 208
    A m Samstag kam ein kleiner sehr lieber Brief von ›Bönli‹ die Ihren ›Auftrag‹ vollzog in Gestalt vieler Blumen, in denen ein sehr verlockend duftender Bisquit-Haase lag, mit einer Schnauze aus Rosa-Zuckerguß und einem Glöckchen um den Hals: dieses und seine braun-staunigen Haasen-Augen sind das einzige Uneßbare in seiner sonst ganz und gar verzehrlichen Natur. Die Blumen waren herrlich froh und ostrig: kleine, wie Waschkleider
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