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Die Peitschenbrüder

Die Peitschenbrüder

Titel: Die Peitschenbrüder
Autoren: Horst Hoffmann
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Horst Hoffmann
    DIE PEITSCHENBRÜDER
    Die Fahrt war diesmal ruhig verlaufen. Kein Sturm hatte die Kurnis erfasst und im aufgepeitschten Meer von ihrem Kurs abgebracht. Kein magischer Zauber war über das Boot und seine Besatzung gekommen, um Mythor und seine drei Gefährten erneut in die Irre zu führen. Die Insel Zuuk existierte nicht mehr. Für alle Zeiten war sie vom Meer der Spinnen verschlungen worden.
    Diesmal konnte es keinen Zweifel geben, als sich im Licht der ersten Sonnenstrahlen Land vor dem Bug der Kurnis abzeichnete. Dies war die Küste von Yortomen.
    Eine seltsame Erregung hatte Mythor erfasst, als er nun im Boot stand und versuchte, erste Einzelheiten zu erkennen. Noch lag der Nebel vor der Küste, doch wo er aufriss, waren Häuser zu sehen, dann ein Teil eines Hafens mit Schiffen und Booten: Lockwergen, die Stadt an der Ostküste Yortomens.
    Der Himmel war klar an diesem kühlen Herbstmorgen, und doch hatte Mythor das Gefühl, als würden sich düstere Wolken über der Stadt zusammenbrauen. Der dunkelhaarige junge Mann machte sich keine Illusionen. Er hatte lernen müssen, dem ersten Eindruck nicht zu trauen.
    Die Kurnis trieb in den Nebel vor der Küste hinein. Mythor drehte sich zu Kalathee, Nottr und Sadagar um. Sie machten sich schon bereit, an Land zu gehen. Kalathee fing Mythors Blick auf und versuchte zu lächeln. Es war, als wolle sie zeigen, dass sie keine Angst vor dem hatte, was das unbekannte Land für sie bereithalten mochte.
    Sadagar schien es besonders eilig zu haben, die Kurnis zu verlassen. Er hatte genug vom Meer und den in ihm lauernden Gefahren. Er schien zu hoffen, auf der Insel endlich Sicherheit zu finden.
    Mythor konnte diese Zuversicht nicht teilen. Er wurde immer unruhiger, je näher sie der Küste kamen, und als das Boot aus dem Nebel heraustrieb, wusste er, dass ihn seine Ahnung nicht getäuscht hatte.
    Vor ihnen lag der Hafen mit einer schier unübersehbaren Zahl von Schiffen und Fischerbooten. Und eines hatten die Schiffe und Boote mit den Hafenanlagen und den Häusern an der Küstenstraße gemeinsam: Sie waren verlassen. Keine Menschenseele war zu sehen, keine streunenden Hunde, nichts Lebendes.
    Mythor wusste mit einemmal, was ihn die ganzen letzten Stunden über gestört hatte. Es gab keine Vögel, deren Schreie einem jeden Seefahrer die Nähe des Landes ankündigten, die in Schwärmen über die einlaufenden Schiffe herfielen, um ein Stück Nahrung zu ergattern. Es gab kein Leben im Hafen.
    »Wie ausgestorben«, knurrte Nottr, der jetzt direkt hinter Mythor stand, mit heiserer Stimme. »Die ganze Stadt.«
    Lockwergen war vergleichsweise riesig. Es war von See aus kaum zu überblicken. Dennoch nickte Mythor. Wieder versuchte er vergeblich, entlang der Küstenstraße, soweit sie von der Kurnis aus einzusehen war, eine Spur von Leben zu entdecken. Alles machte einen außerordentlich sauberen und gepflegten Eindruck, gerade so, als hätten die Bewohner von Lockwergen ihre Stadt für ein besonderes Ereignis herausgeputzt.
    Mythor fröstelte. Kalathee drängte sich zwischen ihn und Nottr, in dessen Augen es kurz aufblitzte, als die schöne, zierliche junge Frau ihre Hände um Mythors Arm schlang und sich wie schutzsuchend an ihn schmiegte. Steinmann Sadagar sah sich ängstlich nach allen Seiten um.
    Jetzt spürten sie es alle. Lockwergen, wo sie sich sichere Unterkunft, eine kräftige Mahlzeit und neue Ausrüstung erhofft hatten, war verlassen. Eine Geisterstadt.
    »Vielleicht haben sie sich ins Zentrum zurückgezogen«, kam es von Sadagar. »Vielleicht feiern sie etwas.«
    Mythor schüttelte stumm den Kopf. Sadagar versuchte, sich etwas einzureden. Irgendein Laut, das Gebell von Hunden oder das Kreischen von Möwen hätte zu hören sein müssen. Und niemand ließ sein Schiff ganz ohne Bewachung zurück.
    Nottr legte die Hände an den Mund und brüllte: »Heda! Ist da jemand? Kommt heraus aus euren Löchern!«
    Keine Antwort. Kalathee umklammerte Mythors Arm noch fester. Ihre Augen suchten seinen Blick. Ihre Hände waren eiskalt. »Wir können an einer anderen Stelle der Küste anlegen«, flüsterte sie. »Lass uns umkehren und einen anderen Ankerplatz suchen, Mythor.«
    Und das, was sich hier ereignet hatte, ignorieren? Die Bedrohung, die Mythor nun so deutlich spürte, als brauche er nur die Hand auszustrecken, um sie zu greifen?
    Sein Gesicht verfinsterte sich. Er blickte Nottr von der Seite her an und sah grimmige Entschlossenheit im Blick des Lorvaners. Mythors Hand
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