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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder
Autoren: Sandra Duenschede
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Haustür hinauflief, bestätigte sich seine Vorahnung. Das gesamte Haus war dunkel. In Toms Büro waren sogar noch die Jalousien heruntergelassen und der Wagen war auch weg.
    »Aber sie wollten sich doch gleich melden«, murmelte er, während er sein Handy aus der Jackentasche zog. Tom und Marlene hatten ihm das Mobiltelefon zum Geburtstag geschenkt. Haie war eigentlich kein Freund dieser tragbaren Telefone, aber das Argument, als künftiger Patenonkel müsse er schließlich erreichbar sein, insbesondere für die werdende Mutter, hatte ihn überzeugt. Dennoch war der Umgang mit dem Handy für ihn noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden, und daher war es auch nicht verwunderlich, dass das Display gar nichts anzeigte, als Haie noch einmal die Meldungen kontrollieren wollte. Er hatte völlig vergessen, den Akku aufzuladen. »Mist!«, fluchte er und rannte zu seinem Fahrrad. Vermutlich ist das Kind schon lang auf der Welt. Und ich Dössbaddel verpasse alles, nur weil ich nicht daran gedacht habe, das Handy aufzuladen, schimpfte er mit sich selbst und radelte eilig nach Hause.
    Noch während er die Haustür aufschloss, klingelte sein Telefon. Hastig rannte er durch den Flur ins Wohnzimmer.
    »Hallo? Tom?«
    »Mensch, Haie, wo steckst du denn? Und wieso ist dein Handy ausgeschaltet?«
    »Ist doch nun egal«, tat Haie die Fragen des Freundes ab. »Ist das Kleine da?« Insgeheim kannte er die Antwort, denn nur so erklärte sich, warum Tom und Marlene den ganzen Tag nicht erreichbar gewesen waren. Aber natürlich wollte er hören, ob alles gut gelaufen war und Mutter und Kind wohlauf waren.
    »Ist alles in Ordnung«, beruhigte Tom ihn und erzählte von der aufregenden Geburt.
    »Niklas, ein schöner Name. Und wie geht es Marlene?«
    Tom berichtete, sie sei zwar sehr erschöpft, aber der Kleine hielte sie auf Trab.
    »Aber ich denke, morgen kannst du die beiden besuchen. Soll ich dich abholen?«

6.
     
    Thamsen hatte Brötchen geholt und deckte zusammen mit Anne den Frühstückstisch. Am Samstag frühstückten sie immer alle ausgiebig zusammen. Egal, wie viel Arbeit auf ihn wartete, dieser Morgen gehörte nur ihm und seinen Kindern.
    Seit er die Leitung der Dienststelle übernommen hatte, musste er fast regelmäßig auch am Wochenende arbeiten. Zumindest nahm er sich den Papierkram, der unter der Woche liegen geblieben war, mit nach Hause. Den konnte er nämlich auch daheim erledigen.
    »Anne, weckst du bitte Timo und bringst gleich noch die Zeitung mit?« Dirk schreckte die Eier ab und verteilte sie in die Eierbecher auf dem Tisch. Dann goss er den Kaffee ein und setzte sich. Kurz darauf erschien Anne mit dem Nordfriesland Tageblatt in der Hand sowie ihrem äußerst verschlafen wirkenden Bruder im Schlepptau. Mit Sicherheit hatte Timo wieder bis spät in die Nacht an seinem Computer gespielt. Aber da kannte Thamsen kein Erbarmen. Das gemeinsame Frühstück war heilig.
    »Und was hast du heute vor?«, fragte er seinen Sohn. Timo klopfte wie in Zeitlupe mit dem Löffel auf seinem Ei herum.
    »Markus kommt später. Wir wollen ins Kino.«
    »Ins Kino? Was läuft denn?« Das kleine Lichtspielhaus in der Stadt gab es bereits seit 1954. Die Programmauswahl war nicht unbedingt riesig, aber völlig ausreichend.
    »Fluch der Karibik.«
    »Fluch der Karibik?«
    Dirk Thamsen war, was Kinofilme anbelangte, nicht gerade auf dem neuesten Stand. Wann war er eigentlich das letzte Mal im Kino gewesen? Vor zwei, drei Jahren? Das musste gewesen sein, als Anne und Timo noch jünger waren. Den Kindern war es mittlerweile viel zu peinlich, sich dort mit ihm blicken zu lassen. Sie gingen lieber mit ihren Freunden.
    »Ist ein Film mit Johnny Depp«, erklärte Anne anstelle ihres Bruders, was Thamsen allerdings auch nicht weiterhalf.
    Schnell wechselte er das Thema und fragte nach den Neuigkeiten aus der Schule. Anne berichtete von der bevorstehenden Klassenfahrt und Timo erzählte nach mehrmaligem Nachfragen von den Projekttagen in der vergangenen Woche, in der er mit seinen Mitschülern live über das Internet ein grenzüberschreitendes Computerspiel mit Schülern aus Dänemark gespielt hatte. Aber auch in diesem Bereich waren Begriffe wie Codemaster, Patch und Multiplayer für Thamsen ähnlich böhmische Dörfer wie die Titel der neuesten Kinofilme. Er merkte einmal mehr, wie die Distanz zwischen ihm und Timo immer größer wurde. Sie lebten in zwei völlig verschiedenen Welten. Nach dem Frühstück räumte er den Tisch ab und goss sich
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