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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder
Autoren: Sandra Duenschede
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wollte sich noch ein paar Dinge aufschreiben, ehe er mit Anne zu seiner Mutter fuhr. Magda Thamsen verreiste heute. Eine alte Freundin in Süddeutschland besuchen und er hatte angeboten, sie zum Bahnhof zu fahren.
    Seit sein Vater vor gut drei Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben war, war seine Mutter regelrecht aufgeblüht. Früher waren seine Eltern nie verreist, allenfalls unternahmen sie mal einen Tagesausflug. Selbst als Dirk noch ein Kind gewesen war, hatten seine Ferien lediglich aus Ausflügen nach Dagebüll an den Badedeich bestanden. An den Strand von Rømø zu fahren, war das Höchste der Gefühle gewesen. Sein Vater hatte Urlaubsreisen als reine Geldverschwendung betrachtet und lieber gespart. Regelrecht geizig war er gewesen. Im Nachhinein hatte dies allerdings sein Gutes, denn um Geld brauchte sich seine Mutter keine Gedanken mehr zu machen. Obwohl sie niemals auf die Idee gekommen wäre, das hart ersparte Geld ihres verstorbenen Mannes mit vollen Händen zum Fenster hinauszuwerfen, gönnte sie sich die eine oder andere Reise. Und Dirk fand das gut so.
    Er schrieb sich die Namen einiger Rechtsradikaler auf, die er in den nächsten Tagen näher unter die Lupe nehmen wollte. Wie genau das aussehen sollte, wusste er noch nicht, schließlich beabsichtigte er nicht die gesamte Szene aufzuscheuchen. Aber ob es Verbindungen zwischen Dr. Merizadi und Mitgliedern der rechten Gruppen gegeben hatte, wollte er schon wissen. Außerdem mussten noch die Angestellten aus der Praxis befragt werden. Insbesondere in Bezug auf den Notruf, den der Arzt laut der Witwe an dem Abend seiner Ermordung erhalten hatte, wie er sich bereits einige Seiten zuvor notiert hatte. Dann standen noch der Obduktionsbericht und die Berichte der Kollegen von der Spurensicherung aus. Vielleicht hatten sie am Tatort irgendwelche verwertbaren Spuren gefunden. Aber jetzt am Wochenende konnte er so gut wie nichts tun. Außer eventuell noch einmal die Witwe zu befragen, aber was sollte das bringen? Bei dem Gedanken an die umwerfend schöne Frau wurde ihm ganz warm und er knabberte gedankenverloren an seinem Kugelschreiber. Viel zu lang war er nun schon allein. Seit der Trennung von Iris hatte es zwar die eine oder andere Affäre gegeben, aber etwas Ernstes war es nie gewesen. Dabei sehnte er sich nach einer neuen Partnerin, nach körperlicher Nähe, aber auch nach Gesprächen, Unternehmungen, Fernsehabenden, einfach nach einer Freundin.
    Er klappte das Büchlein zu. Er konnte heute wahrscheinlich wirklich nichts mehr ausrichten. Und die Husumer Kollegen hatten die nächste Besprechung erst für Montagmorgen anberaumt. Bis dahin würden wohl auch die ausstehenden Berichte vorliegen. Er stand auf und griff nach seinem Handy. Eine neue Nachricht war auf seinem Display verzeichnet. Er drückte den Knopf und die Textnachricht öffnete sich:
    › Endlich bin ich da, Niklas Roman Meissner, 21.11.2003, 03:48 Uhr, 52cm und 3567 Gramm. Es freuen sich Marlene und Tom Meissner‹
    Thamsen drückte auf die Antworttaste: ›Herzlichen Glückwunsch. Heute Abend Kind pinkeln lassen beim Griechen?‹
    Es dauerte keine fünf Minuten, ehe er eine Antwort bekam: ›Heute 20:00 Uhr in der Taverne. Haie und ich sind dabei. LG Tom.‹
     
    Leise summend, faltete sie den kleinen Nickistrampler zusammen, strich über den weichen Stoff und legte ihn dann behutsam zu den anderen Kleidungsstücken in die Kommode. Er war so winzig und wahrscheinlich würde er dem Kleinen gar nicht lang passen.
    Ach, wenn er doch nur endlich da wäre. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich ein Kind in den Armen zu halten. Ihr Kind. Seit Jahren bestimmte dieser Wunsch ihr Leben, tagein, tagaus.
    Anfänglich war es nur ein kleines Stechen in ihrer Brust gewesen, wenn sie andere Frauen auf der Straße einen Kinderwagen hatte schieben sehen. Dann war da ein leichtes Pieken zu verspüren. Gleich neben ihrem Herzen. Sie hatte nicht geahnt, wie groß der Schmerz werden würde, ein Schmerz, verursacht durch die Sehnsucht, dem Wunsch, selbst Mutter zu sein. Leben und Liebe zu schenken.
    Viele Monate hatte sie versucht, schwanger zu werden. Jeden Monat gebangt, jedes Mal war sie in ein tiefes schwarzes Loch gefallen, wenn ihre Periode wieder kam, sie die roten Schlieren in ihrem Slip gesehen hatte. Ihre Ehe war darüber kaputt gegangen, hatte dem Druck, den sie gemacht hatte, nicht standgehalten. Und als ihr Partner ging, fiel sie noch tiefer. Nicht seinetwegen, aber nun war es
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