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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz
Autoren: Janna Hagedorn
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Scheitern ihrer Ehen in Einzimmer- Appartements büßen mussten, weil das gemeinsame Haus endgültig der Bank gehörte.
    Nein, wir hatten es gut. Unterm Strich. Torge dachte für mich mit, mehr, als ich es bei den Männern meiner Freundinnen erlebte. Wenn ich Obst auf den Einkaufszettel schrieb, griff er nicht zu den geschmacklosen Äpfeln in der Tüte; wenn wir verreisten, hatte er immer eine Packung Blasenpflaster für mich dabei, falls ich unterwegs ein Paar neue Schuhe kaufte. Und hatte Torge mir nicht diesen Inselaufenthalt zum Geburtstag geschenkt, vollkommen selbstlos? Ein paar Tage ganz für mich, in meinen nächsten Herbstferien?
    Zugegeben, im ersten Moment war ich ein bisschen enttäuscht gewesen. Eine Radwanderung an der Moldau hätte mir nämlich auch gut gefallen, und wir sprachen schon lange davon. Tschechische Burgen, tschechisches Bier, dazwischen gemütliche Etappen. Als ich Torges Umschlag öffnete, war ich beinahe sicher, dass Flugtickets nach Prag darin liegen würden. Stattdessen: Wellness.
    Was sollte das? Bisher hatte sich die Kosmetikindustrie jedenfalls keine goldene Nase an mir verdient, und das hätte Torge in sechzehn Jahren Ehe schon einmal bemerken können. Und dann noch in Kombination mit ayurvedischer Lebensberatung. Ob Torge dachte, dass Frauen mit vierzig automatisch in die Midlife-Crisis schlitterten? Wollte er mir dabei helfen, diese Krise gleich im Keim zu ersticken?
    Aber ich wollte auch nicht jammern. Von meiner Nachbarin wusste ich, dass ihr Mann ihr einen Stapel neue Badezimmerkacheln als Morgengabe zum Vierzigsten untergejubelt hatte. Dabei hatte sie ihm seit fünf Jahren in den Ohren gelegen, das spinatgrüne Siebziger-Jahre-Bad zu renovieren. Mein Blick fiel auf Frage einundzwanzig, und ich blickte mich um wie ertappt. Was mussten diese Inder jetzt auch noch nach meinem Liebesleben fragen? Häufig und ekstatisch, regelmäßig, unregelmäßig? Da half kein Drumherumreden, auch was Sex anging, war ich Kapha. Wenigstens in den letzten Jahren. Es war ja nicht immer so gewesen.
    Aber das gehörte vermutlich nicht hierher.
    Als ich von den Seiten aufblickte, war ich einen kurzen Moment irritiert, als ich wieder dieses Bild über meinem Bett entdeckte. Es passte so gar nicht zu diesem kleinen Hotel, den Vorhängen im Landhaus-Look, den Holzmöwen, den Badezimmerseifen in der knisternden Blümchenverpackung. Vielleicht wäre es in einer schi cken Stadtwohnung gar nicht weiter aufgefallen, aber hier über dem Bett mit der englischen Tagesdecke wirkte es beinahe obszön: eine nackte Frau mit grünen Haaren, die mit weit gespreizten Beinen in die Luft sprang und deren Schamdreieck dreidimensional aus dem Bild herausstand. Die Künstlerin – und ich war sicher, dass solch ein Bild nur von einer Frau stammen konnte – hatte das aufgeklebte Schamhaar aus irgendeinem natürlichen Material nachgebildet, getrocknetes Seegras vermutlich, grün und krümelig, jedenfalls etwas, das man am Strand fand.
    Ich fragte mich, ob das Bild immer hier hing oder ob seine Anwesenheit etwas mit dem Motto dieser Woche zu tun hatte: »Wellness, Watt und Weiblichkeit.« Ich stand auf, ging zum Bett, fasste vorsichtig an den Rahmen und nahm es von der Wand. Tatsächlich: Das dunkle Viereck auf der Tapete, dort, wo die Sonne das zarte Blütenmuster nicht ausgebleicht hatte, war kleiner als der Bilderrahmen. Dann hing also sonst etwas anderes dort, vielleicht ein Leuchtturm im Abendrot oder ein Stillleben mit Muschel und Hummer.
    Ich zögerte einen Moment, dann hängte ich das Bild vorsichtig wieder auf. Es gehörte augenscheinlich zum Wellnesskonzept, un ter dem Bild dieser Schamgestrüppfrau zu schlafen, und dann wollte ich dabei auch nicht stören. Sicherlich hatten sich die Besitzer dieses seltsamen Hotels etwas dabei gedacht. Was Torge wohl gesagt hätte, wenn er dieses Bild gesehen hätte? Ob er mir dann doch ein anderes Hotel-Arrangement geschenkt hätte statt diesem?
    Ich blickte auf die Uhr. Zehn Minuten noch bis zum ayurvedischen Erstgespräch, und ich hatte noch nicht einmal die Hälfte aller Fragen auf dem Formular beantwortet, das ich in meiner Willkommensmappe auf dem Zimmer gefunden hatte. Hektisch begann ich, Kringel und Kreise zu machen, und sah mich plötzlich selbst dort sitzen, mit der gleichen Betriebsamkeit, die meine Schüler an den Tag legten, wenn sie merkten, dass sie sich weit über die Zeit an der ersten Aufgabe verkünstelt hatten. Retten, was zu retten ist.
    Ich musste an die
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