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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi
Autoren: Richard R. Roesch
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Lyriker müssen den Fortschritt vorbereiten. Ohne den lyrischen Traum vom Fliegen keine Erfindung des Flugzeugs, verstehen Sie?«
    »Und das soll die ganze Begründung sein?«, schrie Pawel auf. Er war mit zwei Schritten bei Tobias und gab ihm einen Kinnhaken.
    »Beruhig dich«, ging Kevin dazwischen. Und zu Tobias: »Fahren Sie fort! Was hat das alles mit den Frauenmorden zu tun?«
    »Mein Erfolg gibt mir doch recht! Ich habe gedichtet, wie Rimbaud es verlangt hat, und die ganze Welt glaubt, ich wäre ein Seher, ein Auserwählter, ein Genie! – Es ist der richtige Weg.«
    »Welcher Weg?«
    »Ich habe erkannt, dass unsere Gesellschaft zerstört wird. Dagegen musste ich etwas tun. Sie wird so sehr weiblich, dass nichts Männliches mehr übrig bleibt. Verstehen Sie, Europa ist nach dem Krieg wieder aufgebaut. Nun werden die Männer nicht mehr gebraucht. Die Frauen richten das Aufgebaute her und verdrängen die Männer dabei. Sie verwirklichen sich, indem sie wie in einer Wohnung ständig aufräumen und alles ausschmücken, aber das Männliche muss weiter bestehen. Wenn aber die Söhne ohne Väter aufwachsen, dann werden sie ja zwangsläufig weiblich. Eine Frau weiß doch letztlich nicht, wie ein Mann fühlt und denkt. Aber aus einem Jungen will ein Mann werden, und so steht die weibliche Erziehung gegen die männliche Natur. Und wenn es da das Ventil des Vaters nicht gibt, der zwischen diesen beiden Welten vermittelt, weil er beide Welten kennt und weil er den Sohn und die Frau liebt, dann endet das mit der Zerstörung des aufstrebenden Männlichen im Sohn. Und wenn das geschieht, dann werden aus Söhnen Bestien, die sich ein Leben lang kaputt fühlen. Ihnen fehlt das gute Männliche. Das habe ich erkannt, dagegen musste ich vorgehen, und darum habe ich meine Gedichte verfasst, die überall auf der Welt so verstanden wurden, wie ich sie gemeint habe. Und weil Rimbaud gefordert hat, dass die Dichtung der Tat vorauseilen muss, und weil ich niemandem zumuten wollte, diese Taten zu begehen, musste ich das eben selbst tun! So schwer es mir auch fiel. Verstehen Sie? Zum Wohle der Söhne musste ich handeln, ich hörte doch ihre verzweifelten Rufe, indem sie mir einen Literaturpreis nach dem anderen aufdrängten, überall auf der Welt! Überall. – Alleinerziehung ist eine Sackgasse, in der die Söhne vor ihren Computern krepieren. Es ist ernst, sehr ernst!«
    »Ja, aber was genau war nun das Motiv? Kein Frauenhass? Auch kein Mütterhass?«
    »Ach, Quatsch, die sind mir doch egal! Es geht mir um die Söhne. Die Söhne müssen bei den Vätern aufwachsen. Und wenn die Väter weggegangen sind, dann muss man sie eben zwingen, zurückzukommen. Was meinen Sie denn, wer sich jetzt um die Söhne von Britta Lind kümmert? Die drei Väter natürlich! Das ist mein Verdienst. Diese Söhne sind gerettet! Männliche Natur kann sich mithilfe männlicher Erziehung harmonisch entwickeln. Mein Gott, mehr wollte ich doch gar nicht, nur dieser Feminisierung der Gesellschaft Einhalt gebieten. Die Söhne sind heute die Schwächsten, sie werden von niemandem gefördert und von den Vätern allein gelassen! Der Anspruch an sie und ihre Lebenswirklichkeit, das driftet immer mehr auseinander.«
    »Damit sich Väter wieder um Söhne kümmern, haben sie die Mütter ermordet?«, fragte Kevin konsterniert. »Verstehe ich das richtig?«
    »Ja, mein Gott, die Mütter taten mir schon auch leid. Deswegen habe ich es ja immer schnell getan. Ein Schnitt, sie haben nie Qualen erlitten. Ich habe ihnen nie was angetan, ich habe sie lediglich umgebracht. Weggebracht.«
    »Lediglich umgebracht«, echote Pawel und starrte den Lyriker an wie ein Studienobjekt. »Sie haben also Mitgefühl gezeigt?«
    »Aber ja.«
    »Sie haben Mitgefühl gezeigt! Sie haben Gefühl gezeigt! Und das unterscheidet Sie von allen anderen Serienkillern. Bei all diesen Leuten wurde eine Unfähigkeit zum Fühlen festgestellt, das ist bei Ihnen anders, mein junger Dichter! Sie werden sich auf keine psychologische Sache berufen können!«
    »Ist das gut oder schlecht?«, fragte Tobias, woraufhin Pawel mit der rechten Schulter zuckte und sich eine Zigarette ansteckte, ehe er sagte: »Also war die einzige Verbindung doch das Buch von Rimbaud, das Sie in Pankow gestohlen haben. Es war Ihr Pech, dass Sie an eine Spezialistin geraten sind! Da hat sich wohl Dichtung und Tat verwischt. Mit diesem Diebstahl haben Sie die entscheidende Spur gelegt. Sie waren nicht mehr länger der anonyme
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