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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi
Autoren: Richard R. Roesch
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doch dann dachte er: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
    »Du musst mir alles noch einmal erzählen!«, sagte der Junge. »Ganz genau!«
    Pawel nickte: »Das werde ich, zukünftiger Oberkommissar.«
    »Es passt zwar alles zusammen«, sagte Kevin, »aber auch ich muss fragen, wo die Verbindung zum Callcenter-Milieu ist? Wie kam der Täter auf seine Opfer? Und was genau ist das Motiv? Einfach nur Frauenhass, oder was? Das ist mir zu einfach. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass Frauenhasser zu fünfundneunzig Prozent Huren töten. Prostituierte verkörpern für diese Männer das Schlechte der Frau schlechthin. Und es ist leicht, an sie heranzukommen.«
    Sie fuhren über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze und waren bald auf Höhe der Autostadt Wolfsburg. Es war sieben Uhr morgens, wie Pawel mit einem besorgten Blick auf die Uhr feststellte.
    »Noch drei Stunden, dann ist sein großer Auftritt! Wir holen ihn direkt von der Bühne. Dieser Büchner-Preis soll einer der wichtigsten Literaturpreise in Deutschland sein. Er ist noch nie einem Neunzehnjährigen verliehen worden. – Wird er auch nicht!«
    Die beiden Männer lachten, ehe Kevin wieder auf das Fehlen des genauen Motivs zu sprechen kam.
    »Du redest von Typen wie Jack Unterweger, ich weiß«, sagte Pawel: »Bei dem war es dieser Frauenhass, der ihn zu den Huren getrieben hat, um sie bestialisch zu quälen und zu ermorden. Auch bei ihm hat man lange keine Verbindung gezogen, denn er war ein gefeierter Schriftsteller in Österreich, ich weiß, ich weiß. – Und ich bin sicher, bei unserem Jungen ist es mehr als einfacher Frauenhass. Man muss aber nicht alles vorher wissen! Wir werden ihn ausquetschen, wir werden das genaue Motiv notfalls aus ihm herausprügeln. Der ist nach der Verhaftung auf offener Bühne sowieso durch den Wind! Ich bin ja kein Beamter, vergiss das nicht, Kevin.«
    »Ich weiß, du bist Russe!«
    »Nordrusse!«
    »Entschuldigung, Nordrusse!«
    Sie bogen nach Süden ab und fuhren direkt nach Darmstadt, während Tobias zur gleichen Zeit auf dem internationalen Flughafen von Frankfurt am Main landete und wenig später von seinem Verleger herzlich begrüßt wurde.
    »Vierzig Jahre habe ich in dieser Branche gearbeitet. Ich bin einer der einflussreichsten Männer im Literaturbetrieb geworden«, sagte der Alte. »Aber nächste Woche erkläre ich meinen Rückzug. Die Verleihung des Büchner-Preises an dich wird mein absolutes Meisterwerk! Davon werden die Menschen noch lange nach meinem Tod reden. Du bist die Zukunft!«
    Tobias ließ sich auf die Rückbank des Taxis fallen und antwortete, er wolle danach aber dringend eine Pause von diesem ganzen offiziellen Kram haben, ehe er den Refrain eines Liedes der Band Blumfeld nachsang: »Mach doch mal einer den Kulturkack aus, ach, geht ja nicht, lass bloß an, bin ja selber drin!«
    Der alte Verleger lachte so herzhaft, dass seine Bauchfalten in Wallung kamen, ehe er sagte: »Wer hat dich bloß auf uns arme Menschen losgelassen! Tobias, du bist einzigartig!«
    »Meine Mutter«, sagte Tobias, der mit zusammengekniffenen Lidern aus dem Fenster sah: »Die hat aus mir gemacht, was ich heute bin.«
    Als das Taxi vor dem Darmstädter Staatstheater hielt und der alte Verleger mit seinem jungen Dichter ausstieg, fiel die versammelte Journaille über sie her. Tobias richtete seinen Blick einfach zur futuristischen Dachkonstruktion des Theatergebäudes und kämpfte sich wie ein Braunbär durch ein Rudel Wölfe. Noch vor zehn Stunden war er in Rimbauds afrikanischem Asyl gewesen, man hatte sich tatsächlich an den geschäftstüchtigen Franzosen erinnert, der die vielen Dialekte so schnell gelernt hatte. Rimbaud war der Bevölkerung im Gedächtnis geblieben, weil er etwas von seinem Reichtum an seine Nachbarn verschenkt hatte. Auf ewig hatte er einem der Dörfer ein Abo der Zeitschrift »National Geographic« geschenkt, das heute noch von der Rimbaudstiftung bezahlt wurde. So etwas wollte Tobias auch.
    Er bekam immer mehr Lust, Gutes zu tun und ein guter Mensch zu werden. Musste nicht irgendwann mal Schluss mit dem bösen Schatten der Mütter sein? Mit diesen elenden Krokodilen? Er meinte, ja.
    Man hielt ihm die Tür auf. Er stieg die breite Treppe hinauf in den Saal des Großen Hauses. Nur dieses eine Gedicht noch, nur diese eine Tat noch, dann war Schluss mit den Gedichten! Mehr konnte er ja sowieso nicht erreichen. Was sollte er denn mit dem Nobelpreis anfangen? Und Geld hatte er wahrlich genug. Schließlich
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