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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi
Autoren: Richard R. Roesch
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zeigen, was er wirklich drauf hatte. Pawel sah ihm zu, wie er den schweigsam gewordenen Serienkiller von der Rückbank holte und die Autotür zuschlug. Pawel wickelte ein Pfefferminzbonbon aus und rollte das Papier mechanisch zu einer Kugel zusammen.
    Während er auf der Zuckermasse kaute, sah er immer wieder zur Tür des Reviers. Links daneben befand sich ein vergittertes Fenster, das leider geschlossen war. Pawel sah Kevin gestikulieren, er sah den wachhabenden Beamten rot werden, dann weiß, und während des langen Disputs stand Tobias Siegfried März an den Tresen gelehnt, als hätte er ein Bier bestellt. Pawel wollte sich von diesem Menschen kein Bild machen. Er war froh, dass das nicht seine Aufgabe war. Das sollten andere Menschen übernehmen, doch ein wenig bekam er auch Angst vor sich selbst. War er nicht auf das Motiv gekommen? Hatte er sich nicht in einen Frauenmörder hineinversetzen können? Hatte er nicht für ein paar Bruchteile wie ein Serienkiller gedacht, ja, war er in Gedanken nicht selbst einer gewesen? Pawel fragte sich, ob er im richtigen Job war.
    Wie leicht das Leben auf den Trawlern doch gewesen war. Da hatte er nie Verantwortung tragen müssen, er hatte niemals Entscheidungen treffen müssen, er hatte einfach nur hart und ehrlich arbeiten müssen, wie es Männer nun schon seit Jahrtausenden taten. Vorbei, das war vorbei, er war zur Landratte geworden, um den Jungs ein Vater und der Frau ein Mann sein zu können. Er hatte auf seine halbjährliche Freiheit verzichtet, und nun hatte sich herausgestellt, dass es ein sinnloser Verzicht gewesen war. Seine Frau war fremdgegangen, irgendwann musste er sich das eingestehen, irgendwann musste er Konsequenzen ziehen.
    Scheidung oder Verzeihung?
    Doch wie konnte er seine Würde als Mann behalten, wenn er seiner Frau dieses Eheverbrechen verzieh? Seine Frau war eine Verbrecherin, sie hatte gestanden. Sollte er Bewährung geben oder sie in die Wüste schicken?
    Vielleicht gehörte gelegentliches Fremdgehen heutzutage ja sogar schon zum guten Ton? Vielleicht bewerteten sie auf den Schiffen die Treue viel zu hoch, weil sie das Einzige war, an das sie sich halten konnten? Schließlich gab es Seeleute nur auf der See, niemals aber an Land. Er wusste nicht viel vom Landleben, das wurde ihm erneut klar.
    Pawel sah nur eine Möglichkeit, seine Würde zurückzubekommen: Er musste auch fremdgehen.
    Doch anders als seine Frau wollte er es vorher bekannt geben, nicht nachher. Er war sozusagen vom Hochseefischer zum Freibeuter geworden, zum Freibeuter mit königlichem Freibrief. War das nicht eine Idee?
    Er würde Susanne ankündigen, dreimal fremdzugehen, um es dann doch nicht zu tun. So könnte er seine Würde wieder herstellen, würde aber nicht zum Verbrecher an der heiligen Ehe werden. Tja , dachte er. Das ist dann wohl Liebe.
    Pawel hatte sein Handy schon in der Hand, um Susanne nach all den Wochen anzurufen, doch da sah er Kevin aus dem Polizeirevier kommen. Er winkte ihn zu sich, als Pawel ein ungeheurer Schlag traf: die Huren! Die Huren in den Häfen! Er war doch selbst ein Verbrecher an der heiligen Ehe, er hatte doch selbst zu beichten! Verstört zog Pawel den Zündschlüssel ab, schloss die Tür zu und ging zum Portal, wo ihn Kevin kopfschüttelnd erwartete.
    »Was gibt’s?«, fragte der Privatdetektiv, froh über die Ablenkung.
    »Ich bin erstmal suspendiert. Ist das zu fassen?«
    »Wieso das?«
    »Ach, wegen dem Alleingang und deinen Schlägen gegen den Verdächtigen. Gefahr im Verzug, das wollten sie nicht gelten lassen.«
    »Warum das denn nicht?«
    »Sie meinen, ich hätte auf jeden Fall Zeit zum Anrufen gehabt.«
    »Bleib ruhig, die tun dir nichts. Du bist noch jung, die werden dich nicht gleich rausschmeißen.«
    »Es geht mir aber darum, dass sie mich befördern, nicht darum, mich am Schreibtisch anzuketten!« Dann lachte Kevin plötzlich auf und sagte: »In Hessen haben fast dreihundert Kollegen nach uns gesucht! Die fühlten sich echt vorgeführt.«
    »Dafür wird dich der Berliner Polizeichef insgeheim noch loben, wirst sehen! Der Meistermörder von seinen Leuten geschnappt! Am Ende wird nur eines davon übrig bleiben: das grinsende Gesicht deines obersten Bosses.«
    »Wollen wir es hoffen. – Die gute Presse haben sie aber hier in Rostock. Wegen meinem Praktikum und wegen dir!«
    »Klar, du bist jung! Deine Ausbildung kostet eine schöne Stange Geld, das spricht alles für dich! – Alte Männer schätzen den Elan der Jungen, das ist das
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