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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann
Autoren: Edmund Cooper
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taumelten langsam von hier nach dort, kamen aber immerhin voran; Diarmids Gesicht war schmerzverzerrt. Seine Augen waren verschwommen, als könne er nicht richtig sehen. Aber sein Verstand blieb klar. „Das war eine gute Aktion, Rura. Die Höllenhuren werden uns in Erinnerung behalten … Danke, daß du mir das Lesen beigebracht hast.“
    Rura hörte ein Frauto. Sie legte Diarmid in das nasse Farnkraut nieder, legte sich beinahe auf ihn drauf und versteckte ihr Gesicht. Sie erwartete jeden Augenblick den Laserstrahl, der sie beide in nichts verwandeln würde.
    Das Frauto fuhr langsam, kurvte um die Bäume herum. Vielleicht konzentrierte sich die Besatzung darauf, den Hubschrauber zu finden. Nachdem es vorbei war, stand Rura auf. Sie versuchte Diarmid hochzuheben, aber er war bewußtlos. Aus Furcht und Elend weinte sie laut. Dann schlug sie ihm fest ins Gesicht. Sie erzielte keine Wirkung. Sie schüttelte ihn. In ihrer Verzweiflung trat sie ihn. Er stöhnte und öffnete die Augen.
    „Steh auf!“ Sie versuchte, ihm zu helfen, aber er war zu schwer. „Bitte, Diarmid, steh auf.“ Keine Antwort.
    Sie trat ihn noch einmal. „Steh auf, du dreckiges Hochlandschwein! Du kannst wohl das bißchen rauhe Behandlung nicht vertragen, Rüsselfresse? Ich dachte, du wolltest ein Mann sein!“
    Diarmid brüllte vor Wut auf und wälzte sich auf die Knie.
    „Das reicht nicht, Schwein. Etwas mehr Anstrengung, wenn ich bitten darf.“
    Irgendwie brachte sie ihn auf die Beine. Irgendwie führten sie, mit seinem Arm um sie gelegt, wie betrunken taumelnd, den Weg fort.
    Rura hörte ein weiteres Frauto kommen. Noch einmal legte sie Diarmid in die nassen Farne. Noch einmal fuhr das Frauto an ihnen vorbei – diesmal nicht ganz so nah.
    Sie versuchte, ihn erneut aufzuwecken. Sie schlug und trat. Schließlich biß sie ihm auf die Lippen. Sie küßte ihn und sah, daß ihre Tränen auf sein Gesicht fielen. Dann biß sie mit tierischer Gewalt in seine Lippen.
    „Aufstehen, Schwein! Geh, verdammt noch mal. Du willst ein Mann sein? Du bringst mich zum Kotzen.“
    Er krallte sich an ihr fest und zog sich hoch.
    „Lauf, Schwein! Flora würde dich auslachen. Ewan würde vor Scham in den Erdboden versinken.“
    Diarmid versuchte zu sprechen, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Wieder schwankten sie mühsam einige Schritte vorwärts.
    Aber jetzt war der Ort, an dem das Frauto versteckt war, in Sicht. Rura erkannte ihn. Sie ließ Diarmid los, und er fiel hin. Dann raste sie zum Frauto, startete die Maschinen und fuhr das Fahrzeug nahe heran.
    „Hör auf mit dem Gejammer, Abschaum. Muß ich denn alles allein machen?“
    Er starrte sie verständnislos an.
    „Das war’s denn wohl, Schwein! Du bist schwächer als eine Frau. Ich habe meine Zeit verschwendet.“
    Diarmid gab einen ohrenbetäubenden Schrei von sich – und sprang auf die Füße.
    „In der Hölle treffen wir uns wieder“, sagte er heiser. „In der Hölle treffen wir uns wieder.“
    Irgendwie taumelte er ins Frauto. Dann übernahm sie die Kontrollen, hob ab und raste über Lochinver auf die offene See zu.
     

31
     
    Es war bereits spät am Nachmittag, als das Frauto endlich über die See glitt. Es herrschte geringer Seegang, auf größter Höhe leicht zu überfahren. Die Hügel der Insel Lewis lagen wie gespenstische Gestalten dreißig Kilometer im Westen. Unweigerlich sank die Sonne auf sie zu, als wolle sie die unwirklichen Konturen mit ihrem Feuer verdampfen.
    Diarmid saß zusammengesunken auf seinem Sitz, bei Bewußtsein, aber bewegungslos. Er starrte dumpf ins Nichts. Die Heizung war auf volle Stärke gestellt, desgleichen die Klimaanlage, aber im Frauto roch es nach verbrannten Kleidern und verbranntem Fleisch. Es war der schrecklichste Gestank auf der Welt.
    Rura kämpfte die Übelkeit herunter und zwang sich nachzudenken. Konnte sie es sich leisten, dreißig Kilometer über das Meer zu fahren? Die Zeit wurde knapp. Sie konnte es nicht. Diarmid brauchte Schmerztöter und Verbände. Wenn außerdem ein weiterer Hubschrauber in Küstennähe war, dann wäre die Spur eines Frautos im Wasser so leicht zu sehen wie eine helle Pflugschneise.
    Sie entschied sich dafür, nach Norden zu fahren, an der Küste entlang. Zehn Kilometer weiter würde sie nach einer kleinen Bucht suchen; und dann würde sie Deckung suchen und landen.
    Sie hatte Glück. Sie fand, als sie um einen Felsvorsprung herumfuhr, eine kleine Bucht mit silbernem Sand, befahrbarem Strand und relativ hohen
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