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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann
Autoren: Edmund Cooper
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Klippen. Sie setzte das Frauto unter diesen Klippen ab und schaltete die Maschinen aus. Sie wühlte im Verbandskasten und fand die Schmerzspritzen. Eine gab sie Diarmid in den gesunden Arm, die andere in die Schulter des verletzten Arms. Um das Maß voll zu machen spritzte sie ihm noch je eine in die Schenkel Vier Spritzen hätten ihn umwerfen müssen. Aber er schien sie kaum zu bemerken. Überraschenderweise fand er wieder zum Vollbesitz seiner Geisteskräfte zurück.
    „Du hast uns also von den Höllenhuren weggebracht. Das Zeitalter der Wunder ist noch nicht vorbei. Wo sind wir?“
    „Ich weiß es nicht. Ungefähr zehn oder zwölf Kilometer nördlich von Lochinver. Wir sind um eine große Landausbuchtung gekurvt.“
    „Ah, das müßte Point Stoer sein … Sind wir von oben zu sehen?“
    „Nur schwer. Von Süden her geben die Klippen Deckung, und das Dach des Frautos hat ungefähr dieselbe Farbe wie der Sand … Diarmid, wie fühlst du dich?“
    Er brachte ein leichtes Lächeln über die Lippen. „Augenblicklich würde ich den Nahkampf wohl besser vermeiden. Werde nicht nervös, Mädel, noch bin ich nicht gargekocht.“
    „Ich muß deine Verbrennungen verbinden.“
    „Ja, das mußt du … Ich erinnere mich, daß du mich Schwein, Rüsselfresse und Abschaum genannt hast.“
    „Es tut mir leid, Diarmid. Ich … Ich mußte etwas tun.“
    Er wandte ihr seinen Kopf zu. Ein Teil seines Haares war ebenfalls verbrannt worden. Seine Augen waren blutunterlaufen. Von einem seiner Backenknochen war die Haut abgeschürft. Wo Tränen über die Asche auf seinem Gesicht gelaufen waren, gab es Spuren. Seine Lippen waren geschwollen und dort, wo sie ihn gebissen hatte, blutig. Er sah schrecklich aus. Er war unverkennbar ein Mann.
    „Ich habe also eine Hochlandfrau aus dir gemacht. Das ist immerhin etwas. Ich bin zufrieden.“
    Zärtlich küßte sie seine Stirn. „Diarmid, ich lege eine Decke auf den Sand. Wenn du dich darauf niederlegen würdest, dann könnte ich die verbrannte Kleidung entfernen und Verbände um deine Beine legen.“
    „Es ist ein schöner Nachmittag“, sagte er. „Sonnenbaden wäre jetzt nicht schlecht. Der Schmerz verfliegt, und ich fühle mich beinahe menschlich.“
    „Ich habe dir ein paar Spritzen gegeben.“
    „Ach so, deshalb.“
    „An sich sollten sie dich schläfrig machen.“
    „Ich bin überhaupt nicht schläfrig. Später vielleicht.“ Er lachte grimmig. „Ich habe gehört, daß mein Vater ein starker und eigensinniger Mann war. Vielleicht hat er mir diese Eigenschaften vererbt. Ansonsten hatte er wenig genug zu vererben.“
    „Kannst du aufstehen? Kannst du aus dem Frauto steigen?“
    „Nenn mich dreckiges Hochlandschwein, dann siehst du es.“
    Rura nahm Felle und eine alte Decke und legte sie hinter einen großen Felsblock in den trockenen Sand. Diarmid stieg betäubt aus dem Frauto, taumelte zu den Fellen und ließ sich dankbar darauf nieder. Die Luft war warm, angenehm warm. Der Sand glitzerte in dem satten Goldlicht der untergehenden Sonne.
    Rura machte sich mit dem Verbandskasten an die Arbeit. Die Verbreitung der Wunden war nicht schlimmer als sie erwartet hatte. Sie schälte mit den Kleidungsfetzen große Streifen Fleisch ab. Sie sprühte das antiseptische Aerosol- Spray über seine Beine, legte dann antibiotische Salbe auf und verband sanft die am schlimmsten getroffenen Stellen. Dann behandelte sie den verbrannten und jetzt welken Arm und die schlimme Stelle auf seinem Brustkasten. Wenn Diarmid eine fachgemäße Behandlung in einem Krankenhaus der Republik Anglia hätte zuteil werden können, dann wäre er in zehn Tagen so gut wie neu gewesen. Aber hier im nordwestlichen Hochland, ohne adäquate Behandlung, ohne Nahrung und Schutz, gewissermaßen in der Wildnis – hier war er ein sterbender Mann.
    Er war ein sterbender Mann. Das wußte sie jetzt. Damit mußte sie sich abfinden. Das Wissen darum ließ Tränen lächerlich erscheinen.
    Die Schmerztöter hatten ihre Arbeit auf vorzügliche Weise getan. Diarmid beschwerte sich nicht, als das verbrannte Fleisch von seinem Körper gerissen wurde, als das Blut aus verletzten Venen quoll. Er war eher an dem interessiert, was um ihn herum vorging.
    „Ich habe mir nie klargemacht“, sagte er, „wie sehr ich die Geräusche des Meeres liebe. Menschen kommen und gehen, aber das Meer bleibt. Es ist die Wiege des Lebens. Jemand hat mir mal gesagt, daß alles Leben aus dem Meer kam. Wenn die Menschheit das Zeitliche gesegnet hat, dann
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