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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib
Autoren: Julius Wolff
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Erstes Kapitel.
    An einem warmen Septemberabend saß ein hochgestalteter, stämmiger Mann mit grauem Langhaar vor dem Wohnhause seines Gehöftes in dem anmutig gelegenen Städtchen Wachenheim in der Rheinpfalz und blickte sinnend vor sich hin. Er war in landesüblicher Bauerntracht, aber seine Haltung und ganze Erscheinung hatten etwas Würdevolles, Achtunggebietendes. Seine rechte Hand ruhte auf dem derben Kreuzbeintische vor ihm, und ohne sich dessen bewußt zu sein, trommelte er auf der Platte einen marschmäßigen Takt. Er hatte in den überstandenen, langen Kriegsjahren viel trommeln gehört, und so war ihm dieses Fingerspiel zur Gewohnheit geworden, wenn ihm etwas Besonderes die Gedanken bewegte.
    Es war der Bürgermeister von Wachenheim Christoph Armbruster, der sich als Winzer eines behäbigen Wohlstandes erfreute und die Bürgermeisterei im Ehrenamt verwaltete. Es schienen auch keineswegs Sorgen zu sein, was ihn zu dieser Stunde beschäftigte, denn sein Gesicht mit der stark hervortretenden Nase und dem kräftigen Kinn zeigte einen zufriedenen Ausdruck, und er schaute, wie sie in der Pfalz sagen, so recht stillbeducht und heimselig drein.
    Das Gehöft, auf das man von der Straße durch ein breites, bei Tage stets offenes Tor gelangte, bildete ein umfangreiches, längliches Viereck, in welchem sich mehrere, den Umfassungsmauern angefügte Gebäude befanden, ein größeres, zweistöckiges Haus, das der Bürgermeister mit seiner Frau und seiner jüngsten Tochter, und ein kleineres, das sein Sohn mit Frau und Kindern bewohnte, ferner das Kelterhaus, Scheune, Schuppen und Ställe. Dem größeren Wohnhause entlang zog sich eine schattige Pergola, d. h. ein laubenartiger, auch oben mit Latten versehener Rebengang, worin zwischen den Ranken und Blättern dunkelblaue Malvasiertrauben hingen. Hinter den Häusern streckte sich bis an die mit runden Verteidigungstürmen bewehrte Stadtumwallung ein wohlgepflegter Obst- und Gemüsegarten. Auf dem geräumigen Hofe stand seitwärts ein alter Nußbaum, dessen mächtigen Stamm eine hölzerne Sitzbank umgab.
    Dieses stattliche Anwesen hieß der Abtshof, weil es vor Jahrhunderten das Eigentum des nahen, von Konrad II., dem Salier, gestifteten und reich dotierten Benediktinerklosters Limburg gewesen war, zu dem der Kaiser selber, und zwar an dem nämlichen Tage wie zu dem herrlichen Dom in Speyer den Grundstein gelegt hatte. Einer der Äbte hatte den Hof erbaut, um hier die edlen Gewächse der ihn umgebenden, dem Kloster zugehörigen Weinberge keltern und lagern zu können, und jetzt noch waren die starken Mauern und Gewölbe vorhanden, in denen dies einst geschehen war.
    Außer diesem unterirdischen Gemäuer aber war von dem abteilichen Bau kaum ein Stein auf dem andern geblieben. Kriegsstürme hatten ihn wie so manches, was Menschenhand hier geschaffen, fast bis auf den Grund hinweggefegt. Denn die Pfalz, namentlich die Vorderpfalz mit ihrem Köstliches hervorbringenden Rebengelände an der Haardt hatte unter schweren Drangsalen zu leiden gehabt. Die unaufhörlichen Fehden des streitlustigen Pfalzgrafen bei Rhein Friedrich des Siegreichen, die Untaten des Bauernkrieges, die verzweifelten Kämpfe mit den beutegierigen Landsknechten des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg und endlich die furchtbaren Heimsuchungen im dreißigjährigen Kriege unter Tilly, dem Grafen Ernst von Mansfeld und dem Herzog Christian von Braunschweig hatten die Städte und Dörfer der Pfalz eingeäschert, das Land verödet, die Leute ins Elend versetzt.
    Aber die unerschöpfliche Fruchtbarkeit des Bodens brachte nach jeder Verwüstung die jungen Saaten und Pflanzungen zu schnellem Wachstum, und die Betriebsamkeit der Bewohner besaß die zähe Kraft, unverdrossen wieder aufzurichten, was niedergestampft, verbrannt und verdorben war. Trotz aller Verheerungen, denen sie im Lauf der Zeiten ausgesetzt war, rühmte sich die Pfalz, einer der höchstgesegneten Gaue des deutschen Reiches zu sein, so daß es einst von ihr hieß, sie wäre so reich, daß hier selbst die Bettelleute Kapitalsteuer zahlten. Und jetzt, sechzehn Jahre nach dem Westfälischen Frieden, unter der Regierung des für die Wohlfahrt seines Landes rastlos bemühten Kurfürsten und Pfalzgrafen Karl Ludwig, war sie in fröhlichem Aufschwung begriffen; allerwegen entfaltete sich ein sichtliches Gedeihen von Handel und Gewerbe, Acker- und Weinbau.
    Auch der Abtshof, die einstige Siedelung jenes längst zerstörten Benediktinerstiftes,
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