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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib
Autoren: Julius Wolff
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und hatte ihm vier Kinder geschenkt, deren ältestes Peter war. Ein zweiter Sohn war jung gestorben, eine darauffolgende Tochter war an einen Zimmermeister in Neustadt verheiratet, und als nicht mehr erwarteter Spätling hatte sich Ammerie noch eingestellt, die schon in ihren Kinderjahren etwas ungemein Drolliges gehabt hatte und nun, zur blühenden Jungfrau gereift, Eltern und Geschwister mit ihrem schalkhaften Frohsinn ergötzte. Sie hatten sie alle lieb, auch Elsbeth stand mit der viel jüngeren Schwägerin auf dem besten Fuße.
    So herrschte eine erfreuliche Eintracht in der Familie, und wenn man tagsüber seine Arbeit getan hatte, so ergab man sich am Feierabend und bei Tische einer harmlos heiteren Stimmung, die kein Mißton trübte. Christoph Armbruster selber, das von allen verehrte Oberhaupt, waltete auf dem Abtshofe als unbeschränkter Herr und Gebieter, dessen leisestem Wort und Wink sich jeder der Seinigen ohne Widerspruch fügte. In dem, trotz der festen Mauern und Türme, mehr bäuerlichen als städtischen Gemeinwesen genoß er wegen seiner Rechtschaffenheit und besonnenen Tatkraft eines hohen Ansehens, obwohl er aus einem besonderen Grunde auch einige seiner Mitbürger zu entschiedenen Gegnern hatte. Seit dreiundzwanzig Jahren war er hier Bürgermeister als unmittelbarer Nachfolger seines Vaters, der gleichfalls dieses Amt bis zu seinem in hohem Alter eintretenden Tode innegehabt hatte.
    Als nun an dem warmen, bei dem klaren Himmel lange hell bleibenden Abend alle, Alte und Junge, unter dem hie und da durchsichtigen Rebendach fröhlich beisammensaßen und den aufgetragenen Imbiß verzehrten, wandte sich Madlen plötzlich zur Seite und sagte: »Wen bringt uns denn der Schneckenkaschper da? eine Fremde? Einen Besuch?«
    Alle blickten auf und sahen nach dem Eingange hin.
    Dort unter dem Torbogen stand ein etwa vierzehnjähriger Junge, barhäuptig und barfüßig und ärmlich gekleidet, aber kräftig und gebräunt, mit einem offenen, klugen Gesicht. Zu einer neben ihm stehenden weiblichen Gestalt redend zeigte er mit ausgestrecktem Finger nach der am Tische sitzenden Familie. Dann traten beide näher, von einem Hunde, einem gelblich grauen, struppigen Schnauzerl begleitet, und das junge Weib oder Mädchen, das ein Bündel auf den Rücken trug, schritt stracks auf die Bürgermeisterin zu.
    Die mehr als mittelgroße Fremde war sehr hübsch, fast schön zu nennen, aber sie sah bleich und verhärmt aus, und um ihren feingeschnittenen Mund wob sich ein Zug von Bitterkeit. »Seid Ihr Frau Madlen Armbruster?« begann sie schüchtern.
    »Ja, die bin ich,« antwortete Madlen.
    »Ich bin Gontrud Hegewald aus Gamburg im Würzburgischen.«
    »Wie hieß deine Mutter mit ihrem Mädchennamen?« fragte die Bürgermeisterin.
    »Hilde Scheithauer.«
    »Das stimmt; dann bist du die Trudi, und ich bin deine Bas',« sprach Madlen, erhob sich und reichte ihrer Nichte die Hand. »Sei willkommen und sage: was schaffst du?«
    Die Zugereiste mußte sich in ihrer tiefen Befangenheit erst fassen, um das Anliegen, das sie hergeführt hatte, vorbringen zu können. Dann tat sie dies mit einem hörbaren Beben der Stimme: »Vater und Mutter sind tot, ich bin eine Waise, – mittellos und heimatlos, – habe viel Trauriges und Schlimmes erlebt und – kann nicht wieder dahin zurück, wo ich herkomme. Darum wollt ich Euch herzlich bitten, mich als Magd, als dienende Magd bei Euch aufzunehmen; – ich kann arbeiten und weiß auch mit Wingert und Weinbau Bescheid.« Sie atmete tief auf, als sie das von der Seele herunter hatte, und blickte ihre Base ängstlich und erwartungsvoll an.
    »Lege dein Bündel ab und nimm Platz an unserem Tische,« sagte Madlen ohne auf die ihr vorgetragene Bitte gleich einzugehen. »Dies sind die Meinigen, mein Mann und unsere Kinder und Enkel.«
    Trudi überflog die kleine Gesellschaft mit den Augen, und die grüßende Neigung ihres blonden Hauptes war von einer gefälligen Anmut.
    »Du bleibst die Nacht hier, und wenn du morgen ausgeschlafen hast, reden wir weiter; ich denke, es wird sich einrichten lassen, was du wünschest,« fuhr Madlen fort, nachdem sie sich die Sache überlegt und das Mädchen mit einem prüfenden Blick angeschaut hatte.
    »Ich danke Euch!« kam es wie ein erlösender Hauch aus Trudis bewegter Brust.
    »Setze dich neben mich; hier auf der Bank ist noch Platz, und nun vor allen Dingen, – du wirst hungrig sein vom Wege, – also flink, Ammerie!«
    Diese sprang auf und verschwand im Hause,
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