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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib
Autoren: Julius Wolff
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hatte sich aus den Trümmern, in die er mehr als einmal gesunken war, in erneuter Gestalt erhoben und war nun schon in der vierten Generation das Erbe der Familie Armbruster. Seine letzte Beschädigung durch die Spanier, die sein gegenwärtiger Besitzer als junger Mensch schon erlebt hatte, war nicht so schlimm gewesen wie die früheren. Christophs Großvater hatte ihn wiederhergestellt, sein Vater noch erweitert und ausgebaut und er selber ihn endlich zu dem gemacht, was er heute war, ein echt pfälzischer Bauern- und Winzerhof, der sich sehen lassen konnte und in ganz Wachenheim nur von einem einzigen an Größe und schmucker Wohnlichkeit noch übertroffen wurde.
    Hier auf seinem freien Eigen saß nun Christoph Armbruster und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Plötzlich überflog ein gutmütig schlaues Lächeln seine markigen Züge, und er hob den Blick zu der trutzigen Wachtenburg empor, die unweit der Stadt den Gipfel eines steilen Vorberges krönte. Die Sonne war bereits hinter dem hohen, in schönen Linien auf- und absteigenden Kamme des Gebirges verschwunden, aber ein flammendes Abendrot stand am Himmel und überhauchte die Zinnen und Türme der Burg mit einem goldigen Schimmer.
    Dort hauste der Reichsfreiherr Dietrich von Remchingen, kurfürstlicher Obervogt der Vorderpfalz, der die ihm verliehene Machtbefugnis gerecht und mild ausübte. Er und Christoph waren Jugendgenossen. Der Abkömmling eines alten, stolzen Rittergeschlechtes und der Sproß einer alten, freien Bauernfamilie hatten sich als Knaben bald auf den Wällen und in den Gräben der Burg, bald in dem Garten und den Wirtschaftsräumen des Winzerhofes getummelt, hatten als Jünglinge die Berge und Täler der Haardt durchstreift, als Männer dem edlen Weidwerk obgelegen und endlich die Schrecken des großen Krieges miteinander getragen, und ihre Freundschaft hatte durch all die langen Jahre treulich standgehalten und blühte heute noch, wo sie beide rüstige, welterfahrene Sechziger waren. Im traulichen Gespräch nannten sie sich du und bei den Vornamen, im amtlichen Verkehr aber, den ja ihre Stellungen mit sich brachten und bei dem es hin und wieder zu kleinen Reibereien und manchmal auch zu einem scharfen Wortwechsel kam, schnoben sie sich auch wohl mit Herr Reichsfreiherr! und Herr Bürgermeister! unwirsch an, um sich beim nächsten Wiedersehen ohne Vorrede die Hände zu schütteln und herzlich ins Gesicht zu lachen. An einen solchen kürzlich gehabten Streit mochte der Bürgermeister wohl gedacht haben, als er zur Wachtenburg hinaufgeblickt hatte.
    Wie er da nun am Tisch unter den Reben saß und sinnierte, lugte plötzlich, unbemerkt von ihm, ein brauner Mädchenkopf aus der Haustür um die Ecke, und husch! sprang eine hübsche junge Dirn die paar Stufen hinab und zu dem Alten auf die Bank, wo sie sich kuschelig an seine breite Schulter schmiegte.
    »Grashupf, bist du da?« sprach er, indem er den Arm um seinen Liebling, die jüngste Tochter, schlang. »Wo ist die Mutter?«
    »Sie kommt auch gleich,« erwiderte das Mädchen. »Hast wohl schon Hunger, Väterle?«
    »O ja, aber die andern fehlen auch noch, ihr laßt mich ja ganz allein hier.«
    »Ich doch nicht, Väterle! ich lauf dir immer nach wie ein spürendes Hundl seinem verlorenen Herrn.«
    »Ja du, du!« lächelte er und drückte sie sanft an sich.
    Die Siebzehnjährige mit runden Wangen und lustigen Augen war eine Herzensfreude für den ernsten, manchmal kurz angebundenen Mann, und wenn er sie auch keineswegs verzogen hatte, so besaß sie doch eine nicht geringe Gewalt über ihn und konnte ihm abbetteln und abschmeicheln, was sie wollte. Er aber hatte seinen Spaß an den kleinen Listen, die sie dabei anwandte und die er, ohne sich's merken zu lassen, wohl durchschaute.
    Die beiden blieben nicht lange allein. Zwei pausbäckige Jungen von zehn und acht Jahren, Christophs Enkel, kamen um das Haus herum angestürmt, und das erste Wort des älteren war: »Gibt's noch nichts zu essen?«
    »So!« lachte Christoph, »wo habt ihr Schlingel denn gesteckt?«
    »Im Garten, Großvater,« erwiderte der jüngere.
    »Und wo sind eure Eltern?«
    »Vater ist nicht daheim, und Mutter singt's Bärbele in Schlaf.«
    »Dann seht mal nach, ob ihr Großmutter findet, daß sie euch die gefräßigen Mäuler stopft.«
    Da sprangen sie ins Haus hinein, und man hörte sie nach der Großmutter rufen.
    Nun erscholl von innen eine weibliche Stimme: »Ammerie!«
    »Ja, Mutter!« gab das Mädchen zurück und
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