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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau
Autoren: Ellen Jacobi
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1.
    Eins steht fest: Auf die Frage »Wie geht es Ihnen heute?« sollte man Psychiatern nie, niemals eine Antwort geben. Zumindest keine ehrliche und erst recht keine, in der eine verstorbene Schreckschraube mit Hut, Stalin und ein Kleiderschrank vorkommen. So etwas bringt Psychiater vollkommen durcheinander. Das ist Frau Schick, geborener Freifrau Rosalinde von Todden, inzwischen klar.
    Leider zu spät.
    Sie war so erleichtert über ihr negatives Alzheimergutachten, das druckfrisch vor diesem Doktor Grünschnabel auf dem Schreibtisch liegt, dass sie sich ihm freimütig anvertraut hat. Dabei hat sie noch beim Reinkommen gedacht, dass so ein Milchgesicht in zu großem Arztkittel nichts von Kobolden, Geistern und verdammten Seelen versteht. Schon gar nicht von ostpreußischen! Und es muss sich um ein Gespenst handeln. Alle vernünftigen Erklärungen hat sie durchprobiert. Es gibt keine. Frau Schick rutscht unruhig auf ihrem Stuhl herum.
    Eine Schande, dass Professor Dr. Ludrikeit heute nicht da ist, der hätte vielleicht Bescheid gewusst und ein Gegenmittel gekannt. Sie haben sich letzte Woche so reizend über seine Vorfahren aus Schernuppchen beim ehemaligen Insterburg unterhalten. Das lag zwar eine Ecke weg von Gut Pöhlwitz in Masuren, wo Frau Schick ihre ersten elf Lebensjahre verbracht hat, aber Gespenster gab es in Ostpreußen überall. Kaum ein Dorf, in dem bei Gewitter nicht geweihte Kerzen entzündet wurden. Pöhlwitzens Kutscher haben vor jeder Ausfahrt dreimal kreuzweise mit der Peitsche geknallt und die Räder beim Wagenschmieren linksrum gedreht, damit der Leibhaftige nicht mitfährt. Dorfschuster Popesch hat seine tote Mutter im rechten Knie verspürt, wenn ein Todesfall bevorstand, im linken, sobald eine Hochzeit fällig war, und Frau Schicks Amme, die olle Schemutat, hat nie ein Brot verschenkt, ohne zuvor ein Eckchen abzuschneiden. Damit der Segen im Haus zurückbleibt.
    Aber von so was hat dieser hektische Doktor Pillermann, der heute hinter dem Professorenschreibtisch sitzt und gerade nach einem neuen Kugelschreiber sucht, weil er einen bereits leer geschrieben hat, keine Ahnung. Außerdem hört er ihr zu ihrem Ärger nicht richtig zu. Womit fast 78-jährige Damen wie sie leider immer rechnen müssen.
    Darum ist ihr Gespräch bislang gründlich schiefgelaufen. So schief, dass Frau Schick sich langsam plemplem vorkommt. Ist sie aber nicht. Das hat Professor Ludrikeit, der Kölner Spezialist für Gerontologie und Nervenheilkunde, vor einer Woche zweifelsfrei festgestellt.
    Eigentlich ist sie heute nur hergekommen, um das Gutachten abzuholen und es umgehend an die Schick und von Todden Parkhausbau GmbH weiterzuleiten. Damit in der Firma, ihrer ehemaligen Firma, niemand mehr behaupten kann, sie habe den Geschäftsvorsitz aufgegeben und den gesamten Sums ihrem Patensohn überschrieben, weil sie an Altersschwachsinn leide. Pah!
    Sie hat auch nicht – das ist die jüngste Frechheit aus Reihen des Geschäftsvorstands – jahrelang wichtige Papiere verschlampt, wodurch nun ein Millionengeschäft auf der Kippe steht. Frau Schick verzieht verächtlich das Gesicht. Hinter derart unverschämten Anwürfen steckt bestimmt wieder Intrigant Pottkämper, den sie von ihrem Verstorbenen, Kölns Parkhauskönig Paulchen Schick, leider mitgeerbt hat. Als persönlichen Referenten.
    Noch mal pah!
    Pottkämper ist ein Kuckucksei von Schwerenöter Paulchen. Ein nutzloser Lackaffe, der in teuren Anzügen und handgenähten Budapestern an den Füßen den Baulöwen markiert, dabei versteht er vom Geschäft so viel wie eine Kuh vom Stricken. Trotzdem hat er sich als Pauls illegitimer Sohn Hoffnung auf ihren Chefsessel gemacht und zu diesem Zweck an einem Märchen über ihr angeblich morsches Oberstübchen gebastelt.
    Diesen Grüßaugust in Lackaffenschuhen hätte Frau Schick vor der Firmenübergabe natürlich am liebsten gefeuert oder – weit besser – zum Pförtner degradiert, aber ihr Patensohn Johannes war dagegen. Er hat sich für eine friedliche Lösung ausgesprochen, weil »sich nicht zu rächen auch eine Rache ist«. Das soll der mal Pottkämper beibringen, der hartnäckig an den Gerüchten über ihren Geisteszustand festhält.
    Also wirklich! Fast hätte Frau Schick ihrer Empörung lauthals Luft gemacht. Sie verschludert oder verhindert doch keine Millionenverträge! Sie hat weiß Gott Besseres zu tun. Vor allem gilt es, eine Hochzeit vorzubereiten, aber stattdessen muss sie sich hier einem Verhör unterziehen.
    Herrje,
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