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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau
Autoren: Ellen Jacobi
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Doktor Grünschnabel hat einen frischen Kuli gefunden und überfliegt seine bisherigen Notizen. Auf zur nächsten Fragerunde.
    »Jetzt noch mal von vorn, Frau Schick. Verstehe ich Sie richtig? Stalin lebt in ihrem Kleiderschrank, trägt einen Hut, leuchtet grün und hinterlässt nachts Fußabdrücke auf dem Schlafzimmerteppich? «
    Frau Schick seufzt ergeben. Wenn man es auf diese Weise zusammenfasst, klingt es wirklich bedenklich nach Dachschaden. »Junger Mann, Sie haben überhaupt nichts verstanden«, sagt sie. »Auf Stalin tippt meine Haushälterin, aber die Fußstapfen auf meinem Teppich können nicht von ihm gewesen sein. Erstens lasse ich ihn nie ins Haus, zweitens trägt er keinen Damenhut, und drittens lebt er nicht bei mir, sondern beim Weihnachtsmann.«
    »Stalin lebt beim Weihnachtsmann ?«
    Der klingt ja immer irrer! Und klickt wie besessen am Kugelschreiber herum, macht sie ganz nervös, dabei ist er es offenbar.
    »Hören Sie, ich nenne den Kerl nur den Weihnachtsmann, weil er eine rote Bommelmütze trägt und einen grauen Wallebart hat, der aussieht wie ein geplatztes Sofakissen. Dass ein Mann in diesem Alter noch derartig viele Haare hat, sogar in der Nase! Und die Frisur! Wenn ich es mir recht überlege, sieht er mehr aus wie Karl Marx auf Stütze. Er trägt zur Bommelmütze nämlich Blaumann.«
    »Wer?«
    »Der Weihnachtsmann, Herrgott im Himmel noch mal!«
    »Das ist … äh … wirklich interessant. Erzählen Sie weiter, Frau Schick.« Der Jungpsychologe klickt erneut mit seinem Kugelschreiber. »Der Weih-nachts-mann … sieht aus … wie Karl Marx!«
    Jemine, jetzt fängt der auch noch an, laut buchstabierend, kompletten Unsinn aufzuschreiben! Frau Schick bemüht sich um Contenance. Dabei ist diese Begriffsstutzigkeit wahrlich schwer zu ertragen. »Junger Mann, es geht hier doch gar nicht um den Weihnachtsmann!«
    »Nicht?«
    »Nein! Der Weihnachtsmann ist nur irgendein verdrehter Stadtstreicher oder Rumstreuner, der seit einiger Zeit jede Nacht bei mir klingelt, um …«
    Halt, nein, das mit dem Schrebergarten, den der alte Zauselbart ihr andrehen will, sagt sie jetzt besser nicht, sonst kommen sie nie zum eigentlichen Thema zurück. »Der Weihnachtsmann kommt, um zu betteln!«, sagt sie schließlich. »Immerhin bin ich nicht unvermögend und für meine Wohltätigkeitsarbeit bekannt.«
    Komischerweise will der Kerl allerdings nie etwas annehmen. Na, seine Sache. Sie will auch keinen Schrebergarten.
    Irritiert schaut der Arzt von seinen Notizen auf. Er sieht fast ein bisschen enttäuscht aus. »Es gibt also gar keinen Weihnachtsmann?«
    Der müsste sich mal selber reden hören! Solche Fragen stellen gewöhnlich Sechsjährige. »Selbstverständlich gibt es den Weihnachtsmann«, sagt Frau Schick geduldig, »aber er ist kein Gespenst, sondern ein alter Rumtreiber.«
    »Und Stalin?«
    »Ist sein Hund!«
    »Und den haben Sie Stalin getauft?«
    »Nein, das war Karl Mar…, also dieser Stadtstreicher. Ich glaube, es macht ihm Spaß, dem betagten Kläffer Befehle wie ›Platz, Stalin!‹ zuzurufen. Am Anfang fand ich das übrigens recht drollig. Es zeugt von Esprit und Fantasie. An guten Tagen kann Stalin sogar noch Männchen machen, wissen Sie.«
    Jetzt fängt der wieder an, hektisch auf dem Kugelschreiber rumzuklicken!
    »Dann gibt es also überhaupt keine Gespenster in Ihrer Villa?«
    Herrje, ist dieser Grünschnabel schwer von Kapee!
    »Doch. Meine Tante Freda von Todden, der die Villa früher mal gehört hat.«
    Klick-klick macht es wieder. Nur leider nicht im Kopf des Grünschnabels. »Verstehe«, sagt er langsam. »Und Ihre Tante lebt also in Ihrem Kleiderschrank.«
    »Junger Mann. Gespenster leben nicht mehr, sie sind tot, das macht die Sache ja erst grauenhaft.«
    Na, wenigstens benutzt er seinen Kugelschreiber jetzt wieder zum Schreiben, und sie sind beim Thema!
    »Das war Freda von Todden allerdings auch, solange sie lebte«, ergänzt Frau Schick. »Ich meine grauenhaft, nicht tot«, setzt sie hastig hinzu. Wenn der sich nicht konzentrieren kann, muss sie es wenigstens versuchen, dabei würde sie jetzt wirklich lieber über Hochzeitskleider nachdenken. Und die Torte! Die Torte … Sie muss gleich dringend zu Printen Schmitz, um zu probieren. Nelly könnte Nougat mögen. Schon dumm, dass sie nicht einfach nachfragen kann, aber das Hochzeitsfest soll eine Überraschung für sie sein. Bräutigam Herberger ist bestimmt nicht so fürs Süße oder – Gott bewahre – Sahnekringel! Herberger hasst
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