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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau
Autoren: Ellen Jacobi
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gewollt.
    In seiner Geschenkurkunde, die Kalle Unkrautex aus der Häkelmütze hervorgezaubert hat, ist ausdrücklich von einer gemeinnützigen »Natur- und Schrebergartenstiftung Waldfrieden« die Rede. Da drängen sich Engels’ Bienen doch geradezu auf und …
    Grünschnabel Kleinemann hat die Prüfung ihrer Patientenakte abgeschlossen und hebt irritiert den Blick. »Noch mal von vorn, Frau Schick, verstehe ich Sie richtig? Sie möchten von mir eine Bescheinigung darüber, dass Sie vorübergehend eine vierundzwanzigstündige Betreuung benötigen?«
    Frau Schick nickt charmant. »Das haben Sie sehr schön zusammengefasst.«
    Dr. Kleinemann schüttelt trotzdem den Kopf. »Für einen Betreuungsbedarf spricht laut dem Gutachten von Professor Ludrikeit rein gar nichts!«
    Frau Schick senkt verschwörerisch die Stimme. »Wir beide wissen doch, dass Herr Ludrikeit nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand der Diagnosetechnik ist. Vielleicht hat er sich geirrt?«
    »Die Kernspin-Aufnahmen Ihres Gehirns sind völlig unauffällig«, erwidert Kleinemann. Ein leiser Unterton des Bedauerns schwingt in seiner Stimme mit.
    »Das mag ja sein, aber das spricht doch nicht gegen andere Formen des Schwachsinns, oder?«
    Der Doktor hält sich eisern an seine ärztliche Schweigepflicht. Verflixt und zugenäht. Er muss einen Rüffel von Ludrikeit erhalten haben. Es wäre wohl besser gewesen, sie hätte nach ihrem letzten Termin keinen gepfefferten Beschwerdebrief über ihn an Ludrikeit verfasst.
    »In unserem ersten Gespräch«, tastet sich Frau Schick weiter vor, »haben Sie doch leicht wahnhafte Wahrnehmungsstörungen und einen Hang zur Trunksucht bei mir festgestellt.« Frau Schick kippt ein imaginäres Schnapsglas. »Zu viel Meschkinnes, Sie wissen schon! Heiligabend sind wir Ostpreußen in dieser Hinsicht so unberechenbar wie hundert Russen.«
    Kleinemann runzelt skeptisch die Brauen. Sein Gesichtsausdruck ist alles andere als aufgeschlossen.
    »Herr Grünemann«, verlegt sich Frau Schick aufs Flehen, »Sie sind meine letzte Hoffnung! Haben Sie doch ein Herz. Gibt es nicht irgendeine Möglichkeit, mich aufgrund einer seelisch-geistigen Störung für akut betreuungsbedürftig zu erklären? Wenigstens für 14 Tage!«
    Kleinemann verschränkt die Arme vor der Brust.
    »Wie wäre es mit plötzlichen Panikattacken?«, schlägt Frau Schick vor.
    Keine Reaktion.
    »Ein depressiver Schub und Selbstmordgefahr? Sie kennen doch die Statistiken: Über die Festtage ist es immer am schlimmsten!«
    Noch immer keine Reaktion. Außer einem strafenden Blick.
    Herrje, langsam gehen ihr die Diagnosen aus. »Herr Kleinemann, ich könnte natürlich auch eine Bedrohung für andere sein.«
    »Das sind Sie aber nicht«, sagt dieser Starrkopf.
    »Erlauben Sie mal, ich habe auf der Jagd nach einem Gespenst beinahe meine Villa in die Luft gesprengt! Mit einem Feuerzeug und Putzmitteln!«
    »Ist das bei der Polizei aktenkundig?«, fragt der Grünschnabel spitz.
    »Nein! Das Feuer wurde rechtzeitig gelöscht dank …«
    »Frau Schick«, unterbricht sie der Doktor verärgert. »Falls Sie ein Bedürfnis nach Gesellschaft über die Feiertage verspüren, gibt es andere Möglichkeiten, etwa Seniorentreffs, Altenclubs oder eine Feier im Hotel. Sie haben wahrlich genug Geld, um entsprechende Dienstleister zu bezahlen. Die Erschleichung einer Pflegestufe oder ambulanter Betreuung werde ich in keinem Fall mit einem falschen Gutachten begünstigen!«
    »Junger Mann. Hier geht es doch nicht um Pflegestufen oder Geld!«
    »Ach nein?«
    »Nein! Es geht um eine Familienzusammenführung und meine Hochzeit mit Lu …, also mit dem Weihnachtsmann!«
    »Eine Hochzeit mit dem … Weihnachtsmann ?«
    Ha, endlich das richtige Stichwort.
    Der Mann wühlt nach einem Kugelschreiber, greift nach einem Block und macht Klick-klick. »Den … äh … gibt es immer noch?«, fragt er mit einem vorsichtigen Anzeichen von Interesse.
    »Natürlich gibt es den noch«, bestätigt eifrig Frau Schick.
    »Und Sie wollen ihn heiraten?«
    »Nein, er mich! Gleich bei meinem ersten Besuch im Gefängnis hat er darum gebeten. In unserem Alter ist nun einmal eine gewisse Eile geboten, sagt er.«
    »Der Weihnachtsmann sitzt im Gefängnis?«
    »Eine Schande, ich weiß, auch wenn man ihn dort wirklich gut behandelt. Trotzdem, ich weigere mich, ihn im Gefängnis zu heiraten! Fehlen nur noch Handschellen statt Trauringen und eine Hochzeitsnacht auf der Pritsche. Niklas ist von der Idee natürlich begeistert
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