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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau
Autoren: Ellen Jacobi
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Gutachten aufnehmen. »Das klänge zu sehr nach Sympathie und Vetternwirtschaft«, meint er. Mit einem habilitierten Umweltschützer, der »strafbare Guerillataktiken gutheißt«, mag er nichts zu tun haben.
    »Ich bin schließlich Beamter.« Und das will er bleiben.
    Mürrisch betrachtet Frau Schick den Ameisenzähler. Verdammt, wo bleibt bloß Becky?

34.
    Anfahren. Abbremsen. Anfahren.
    Berufspendler und Lkw-Verkehr quälen sich auf Köln zu. Abrupt flammen rote Bremslichter vor Herberger auf. Er bremst ab und schaltet krachend auf Schneckentempo herunter. Getriebe und Kupplung von Bloggers Klappervan lassen stark zu wünschen übrig. Sein Reaktionsvermögen ebenfalls. Die Nacht war kurz. Viel zu kurz. Nicht nur für ihn.
    Herbergers Augen streifen so glückstrunken wie sehnsuchtsvoll den Rückspiegel. Hinter ihm sitzt wahrhaftig Nelly, seine Nelly! Am liebsten würde er sie einen ganzen Tag lang nur anschauen und festhalten. Einfach nur neben ihr sitzen oder noch besser liegen und schauen und sein Glück einatmen.
    Aber dafür haben sie jetzt keine Zeit.
    Nelly telefoniert sich seit Fahrtbeginn so störrisch wie energisch durch Amtsstuben und Behördendschungel, vereinbart Termine und fordert Formulare an. Auf ihrem Schoß ruht links Niklas’ Kopf und rechts der von Stalin. Beide müssen eine Menge Schlaf nachholen. Er sei ihnen – genau wie der Platz an Nellys Seite – gegönnt. Vor allem dem Hund. Zumindest vorübergehend.
    Manchmal nimmt Amor höchst erstaunliche Gestalten an und erscheint als Hühnerhut auf vier Pfoten. Wäre Stalin nicht gewesen, hätte Herberger das Ausflugslokal gestern womöglich nur für eine hastige Rast genutzt und ahnungslos wieder verlassen.
    Allein Stalins Vorliebe für Wurstzipfel ist es zu verdanken, dass Herberger stattdessen hineingegangen ist, um im Gastraum nach Niklas zu fahnden und Nelly zu finden. Zunächst hat er die nervöse Frau, die beim Kücheneingang dringlich flüsternd über ein Zimmer für die Nacht verhandelte, weil ihr Sohn nach zu viel Kartoffelsalat Magenschmerzen habe, nicht registriert. Als sie sich umgedreht hat, hat er seine überreizten Nerven und seine akute Unterzuckerung dafür verflucht, ihm einen grausamen Streich zu spielen. Stumm und ungläubig hat er dagestanden, bis Nelly die erlösenden Worte gefunden hat.
    »Geht’s nicht ein bisschen schneller?«
    »Wie bitte?«
    Nein, das hat sie gestern natürlich nicht gesagt, obwohl es gepasst hätte, grinst Herberger. Er wechselt auf Nellys Geheiß forsch auf die linke Fahrspur und gibt Gas.
    Nellys gestriger erster Satz entstammte freilich auch keiner klassischen Verssammlung für Verliebte. »Zum Teufel, wo warst du so lange?«, lautete ihre Frage, und erst nachdem sie ihm ausführlich ihre akuten Sorgen um Niklas und knapp Beckys »Bond Bar«-Intrige erläutert hat, fiel das lange überfällige Wörtchen »Sì«.
    Hinter ihm beendet Nelly ein weiteres Telefonat, beugt sich, um Niklas und Stalin nicht zu wecken, vorsichtig im Sitz vor und legt eine Hand auf seine Schulter. »Wir müssen so schnell wie möglich in Köln sein, ja?« Sie starrt gebannt nach vorn.
    Herbergers Schulter begrüßt die Berührung ihrer Hand enthusiastisch, der Rest seines Körpers verlangt hitzig nach mehr. Doch das muss leider warten.
    So wie schon gestern Nacht. In einem Doppelbett mit Blümchenhimmel durften er und Nelly lernen, was körperliche Sehnsuchtsqualen sind und wie man sich mit Blicken möglichst unauffällig ausziehen und verschlingen kann, ohne dabei ein Kind und einen Hund zu stören, die es mitten im Bett sagenhaft gemütlich finden und ohne Gutenachtgeschichte nicht einschlafen wollen.
    Herberger musste mit einigen seiner Reiseabenteuer nachhelfen, wiewohl ihn die entzückende Mulde über Nellys Schlüsselbein – die Gott eigens für ihn geschaffen haben muss – gewaltig von einer Opaljagd in Australiens Juwelenminen oder seiner Pirsch nach sibirischen Yetis ablenkte. Satiriker Karl Kraus hatte ja so recht mit der Feststellung, dass das Familienleben ein Eingriff in das Privatleben ist!
    »Wir werden um halb zehn im Jugendamt erwartet«, fordert Nelly wie zur Bekräftigung seine Rückkehr in die Gegenwart. »Gerade habe ich Frau Pracht im ›Gießkännchen‹ erreicht. Sie will über die Anwälte von Frau Schick den Professor erreichen, bevor er etwas Falsches zu Protokoll gibt.«
    Das Falsche ist in diesem Fall die Wahrheit, die schlecht zu Nellys Plänen passt. Weder Polizei noch Jugendamt dürfen
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