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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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Lacher klang hysterisch. „Du könntest nicht mal einer Fliege was zuleide tun, geschweige denn einem Menschen! Weshalb sagst du so etwas Furchtbares? Das stimmt doch gar nicht!“
    Offenbar glaubte sie ihm kein Wort und einen Augenblick lang ließ er sich von seiner Wut dermaßen aus der Fassung bringen, dass er versucht war, ihr zu erzählen, wozu er fähig war. Einen Menschen zum Krüppel schlagen, ihn verhören, bis er alles gestand, was er hören wollte. Mit bloßen Händen töten. Blitzschnell oder ganz, gaaanz langsam. Er beherrschte mehr Arten, einen Menschen umzubringen, als jeder Normalsterbliche sich überhaupt vorstellen konnte. Die schreckliche Wahrheit war, dass er zu all dem in der Lage war und diese Fähigkeit, ohne mit der Wimper zu zucken, einsetzen würde. Dazu war er gedrillt worden – zu einem eiskalten Mörder.
    „Ronny hat mich im vergangenen Jahr oft besucht, aber er hat nie irgendetwas von …“
    Mit einer ungestümen Handbewegung schnitt Adrian ihr das Wort ab und bellte voller Sarkasmus: „Wie naiv bist du eigentlich? Natürlich hat er nichts erzählt! Ich muss diesem kleinen Helden dankbar sein, weil er es in meinem Interesse für klüger hielt, kein Wort über meinen Wutanfall zu verlieren. Hätte er die Wahrheit gesagt, wären Locke und ich gemeinsam mit ihm in Rostock von Bord gegangen – Ronald ins Krankenhaus, Gaubert und ich in den Bau.“
    „Ich brauche etwas zu trinken.“
    „Gute Idee.“ Adrian lachte heiser. „Ich auch. Vermouth?“
    Suse zuckte zusammen und starrte ihm in die fast schwarzen Augen. „Woher wusste Clausing, dass ich Vermouth mag?“
    Betreten blickte er sie an, gerade so, als hätte sie chinesisch mit ihm geredet. „Ich … wir haben uns … natürlich habe ich ihm von dir erzählt. Er ist mein Freund.“
    Langsam dämmerte ihm, dass er einen nicht unwesentlichen Teil zu dem beigetragen hatte, was zwischen Suse und Matt’n vorgefallen war. Er erinnerte sich vage, ihm am ersten Abend an Bord der „Heinrich“ versichert zu haben, seine Beziehung zu Suse sei beendet. Hatte er sie damit nicht unbewusst zur Jagd freigegeben?
    Und später … Nein, sie hatten nie wieder direkt darüber gesprochen. Bis zum Landgang in Lerwick war Matt’n tatsächlich ahnungslos gewesen – dafür aber total scharf auf Susanne. Und als sich Matt’n dann eingestehen musste, keine Chance bei ihr zu haben, hatte das seinen Ehrgeiz höchstens noch angestachelt.
    Adrian kramte aus seinem Kleiderschrank eine halbvolle Flasche und stellte sie auf dem Fußboden ab.
    „Was ist das?“
    „Prima Sprit.“
    Sie lachte über seinen Witz und griff nach der ungewöhnlich geschwungenen Flasche, um sich das Etikett genauer zu betrachten. Es war kein Witz.
    „Prima Sprit“, wiederholte sie entsetzt. „Du … du trinkst so etwas?“
    Grinsend reichte er ihr ein Wasserglas und ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder. „Natürlich nicht pur. Das wäre selbst für einen Iren etwas strong .“ Bei diesen Worten zog er einen flachen Karton unter seiner Koje hervor, hob den Deckel an und präsentierte Suse eine Auswahl verschiedener Säfte. „Was magst du? Ich bevorzuge eine Mischung aus Mango und Guave.“
    „Vor einem Jahr noch musste dich Sissi auf Knien anbetteln und dazu überreden, mit uns ein Glas Gin Tonic zu trinken. Und jetzt …“ Sie suchte verzweifelt nach den passenden Worten, aber sie wusste, dass sie sein Grinsen richtig deutete. „Wann hast du angefangen zu trinken? Alleine zu trinken, meine ich? Seit wann, Adrian?“
    „Seit wann ich trinke? Tja, seit wann?“ Er legte einen Finger über den Mund, neigte den Kopf leicht zur Seite und tat, als würde er sein Gedächtnis durchforsten. Dann hob er gleichgültig die Schultern und lachte freudlos. „Keine Ahnung, Sanni. Seit ich die Suche nach dir aufgegeben habe? Seit mich jede Nacht die Erinnerungen überfluten und mich in Schrecken ertrinken lassen? Vielleicht seit ich beschlossen habe, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und stattdessen lieber diese Erinnerungen zu ertränken. Oder seit mein Vorrat an Medikamenten bedenklich zusammengeschmolzen ist und ich die Schmerzen anders nicht mehr in den Griff bekomme.“ Er winkte ab. „Frag mich was Leichteres.“
    „Maracuja.“ Mit unendlicher Trauer in den Augen beobachtete sie, wie er Saft und Alkohol miteinander mischte.
    „Ich werde damit Schluss machen“, murmelte er, ohne aufzusehen. „Ich gebe dir mein Wort. Matt’n hat Recht, es wird Zeit für
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