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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Autoren: Juergen Neffe
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Prolog
    Sie haben mir die Lotsenkabine zugewiesen, steuerbord Raum 408, auf Deck 3 der Aliança Pampas: ein Containerschiff, knapp hundertfünfzig Meter lang und nicht mal fünfundzwanzig Meter breit - ein kleiner Zubringer nur für die Riesen, die sich andernorts durch die sieben Meere arbeiten. Drei auf drei Meter Behaglichkeit made in China, nicht gerade hübsch, aber praktisch eingerichtet. Die härteste Matratze meines Lebens, aber zwei Luken gen Westen, wo vorhin die Sonne nach ihrer üblichen Nordrunde ein glutrot loderndes Gemälde hinterließ.
    Warum nicht hier beginnen, auf dem Wasser, im südlichen Atlantik, der uns so klein macht in seinem dunklen Unmaß? In einem Moment, da uns alle auf diesem Planeten etwas verbindet, das älter ist als das Leben selbst. Heute begehen wir Equinox, den Tag der gleich langen Nacht, in Grönland wie in Feuerland, im Tropengürtel wie daheim in Europa. Oder hier, wo meine Kerze gerade brennt, ungefähr fünfzig Meilen vor der Küste Patagoniens, ein paar Glockenschläge vor Mitternacht. Zweimal im Jahr nur vereint uns der Gleichtakt von Tag und Nacht, zwölf Stunden Sonnenlicht für jeden Ort auf Erden. Eine kindliche Gefühlslage aus Stolz, Heimweh und Gerechtigkeitsfreude hat mich ein Licht in mein Kabinenfenster stellen lassen.
    Wir fahren von Montevideo Richtung Süden nach Puerto Deseado, zum Hafen der Sehnsucht, etwa auf gleicher Breite wie Le Havre im Norden. Siebzehneinhalb Knoten, Kurs 217 Südwest. Dort warten Tiefkühlcontainer, mit Fisch und Shrimps und anderem gefrorenen Meeresgetier gefüllt, jeder mehr als dreißig Tonnen schwer. Fischfang im Süden, Kaufkraft im Norden - eine dürre Linie im dichten Netzwerk der Handelswege zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Die Menschheitsmaschine versorgt sich mit Nahrung. Vierzig Tonnen
Diesel pro Fahrtag für ein Sonderangebot beim Discounter in Deutschland oder North Dakota.
    Sieben beindicke Kolben, fast das einzige Deutsche auf diesem Schiff einer deutschen Reederei, haben meinen Knochen längst ihre Schlagfolge beigebracht. Jetzt suchen sie mein Gemüt, wo schon das sanfte Rollen der Aliança Pampas seinen Platz gefunden hat. Das Pendeln des Kalenders an der Wand folgt lässig dem leichten Auf und Ab des Horizonts. In den hiesigen Breiten fängt heute der Frühling an, mein heimisches Jahrbuch verzeichnet Herbstbeginn. Wasser wirbelt hier rechtsherum durch den Abfluss des Waschbeckens, und die Sonne steht mittags im Norden. Wäre die Uhr auf der Südhalbkugel erfunden worden, liefen ihre Zeiger andersherum. Und der Globus daheim stünde auf dem Kopf.
    »Half moon, calm sea«, hat Petro Khokhlov versprochen, und der Halbmond ist dem Wort des Kapitäns bislang nachgekommen. Eben ist er im Westen der Sonne gefolgt, die See zeigt sich weiterhin magenfreundlich und der Schiffsführer entspannt. Ruhiges Wetter und reibungslose Fahrt erlebt der Master als leichteren Dienst mit zufriedener Mannschaft. Die Crew-Liste führt achtzehn Mann. Fast alle haben sich erst hier auf dem Schiff kennengelernt. Unter Khokhlov, mit seinen fünfundfünfzig Jahren Ältester an Bord, rangieren fünf weitere Ukrainer, dann zwei Russen. Alle einfachen Arbeiten erledigen die Filipinos der Deckmannschaft.
    Der Dritte Offizier und Benjamin heißt Yuriy Kovalchuk, kommt aus der Ukraine, ist größer, als er wirkt, und wirkt kräftiger, als er ist. Äußert er sich dienstlich, dann spricht er, als fülle er gerade ein Formular aus. Privat lässt er sich zu Geständnissen hinreißen, die kein anderer Offizier so machen würde. Mit seinen zweiundzwanzig Jahren ist Yuriy genauso jung, wie Charles Darwin war, als er im Dezember 1831 an Bord eines Vermessungsschiffs namens Beagle - Spürhund - von Plymouth aus England verließ. Es gibt kein Bild des jungen Abenteurers aus dieser Zeit. Das nächstbeste zeigt ihn vier Jahre nach seiner Heimkehr als gereiften Mann von über dreißig.
    Doch ein Stück weit wie Yuriy will ich mir den jungen Charles vorstellen, als sich ihm überraschend die Chance seines Lebens bietet: ein wenig milchgesichtig, mit der nebelblassen Haut der Nordeuropäer, im Eifer leicht rotwangig, mitunter schüchtern und verträumt, dabei
aber schlau, hungrig, neugierig und lernwillig. Einer, der alles richtig machen möchte und weiß, was er will, ohne genau zu wissen, was das ist.
    An diesem Tag vergangenes Jahr kam ich von Nordwales nach Hause und hörte erstmals von dieser Reise , vertraut Darwin vor fast genau 175 Jahren seinem
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