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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf
Autoren: Petra Kirsch
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vorwurfsvoll.
    Â»Wo ich war? Das kann ich dir sagen: auf dem Weg
hierher. Nur zur Erinnerung, lieber Matthias, falls dir das in deiner freien
Zeit über das Wochenende entfallen sein sollte: Meine offizielle Arbeitszeit
hat noch gar nicht begonnen. Die beginnt nämlich erst Punkt neun Uhr, also«,
sie sah auf ihre Armbanduhr, »in zwölf Minuten. Wenn du mich dann immer noch
nicht am Telefon erwischst, kannst du mich gerne fragen, wo ich gewesen bin.«
    Â»Oh, da ist aber jemand heute mit dem linken Bein
zuerst aufgestanden. Das ist man bei dir gar nicht gewöhnt, so viel schlechte
Laune schon am frühen Vormittag.«
    Â»Ich habe keine schlechte Laune!«, schrie sie in den
Hörer. »Noch nicht. Das kann sich aber bald ändern, wenn du weiter so …«
    Â»Ist ja schon gut, Paula, reg dich nicht auf. Der
Grund, warum ich anrufe, ist der: Zum einen hat sich Heinrich krankgemeldet,
und zum andern hat man in der Eichendorffstraße eine weibliche Leiche gefunden.
Die Nachbarin dieser Frau ist aufmerksam geworden, weil sich unter der
Wohnungstür ihr gegenüber ein roter Fleck, in dem sie eine Blutlache vermutete,
ausgebreitet hat. Sie hat die Schutzpolizei verständigt, die haben die Wohnung
aufgebrochen, dann haben die mich informiert, ich habe es wiederum an Fleischmann
gemeldet, weil ich ja wissen musste, wer von euch das übernehmen soll, und
Fleischmann wollte dich unbedingt damit beauftragen. Nachdem du aber noch
nicht«, Breitkopf suchte nach einer harmlosen Formulierung, »so früh, also vor
Dienstbeginn sozusagen, an deinem Platz warst und demzufolge nur Frau Brunner
zu sprechen war, habe ich deiner Mitarbeiterin gesagt, sie soll versuchen, dich
daheim zu erreichen, damit du gleich von da aus dahinfährst. Ohne den Umweg zum
Präsidium.«
    Â»Mich hat niemand versucht, daheim zu erreichen. Wann
hast du denn mit Frau Brunner gesprochen?«
    Â»Das war«, sie hörte das rasche Umblättern von Papier,
»exakt um sieben Uhr dreiundfünfzig. Oh, dann hat sie wohl nicht bei dir
angerufen?«
    Â»Nein, hat sie nicht. Aber das macht nichts«, log
Paula tapfer, »dann mache ich mich halt jetzt gleich auf den Weg. Übrigens
danke für die Informationen.«
    Ihr Groll Breitkopf gegenüber hatte sich während des
Gesprächs verflüchtigt. Sie bedauerte jetzt, ihn anfangs dermaßen angeblafft zu
haben. Und so fügte sie noch ein ebenso versöhnliches wie ernst gemeintes »Und
ein Extradank für deine Nachsicht und Geduld mit mir« hinzu. Dann legte sie
auf.
    Fast eine Dreiviertelstunde, rechnete sie nach, hätte
ihre Mitarbeiterin Zeit gehabt, sie daheim entweder über das Festnetz oder auf
dem Handy zu erreichen. Beides hatte sie nicht getan. Warum nicht? Sie musste
doch gewusst haben, dass sie damit eindeutig gegen die Dienstvorschriften
verstieß. Und genauso bewusst musste ihr in dem Moment gewesen sein, dass diese
Kompetenzüberschreitung irgendwann ans Licht kommen, zumindest ihr als ihrer
Vorgesetzten auffallen würde. Beides hatte sie billigend in Kauf genommen.
Warum?
    Es gab nur eine Antwort auf diese Frage: weil Eva
Brunner der Überzeugung war, sich diesen Verstoß gegen die Dienstvorschriften
und damit diesen Affront ihr gegenüber leisten zu können. Das sprach für
zweierlei: für ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl der Kommissar-Anwärterin, das
schon Züge von Überheblichkeit trug, sowie für ihre eigene geschwächte Position
als deren Vorgesetzte. Dagegen erschien selbst der unzuverlässige Heinrich mit
seiner elendiglichen Dauerkrankfeierei in einem milderen Licht. Und auch ihre
Hauptsorge – ihr bedrohlicher fünfzigster Geburtstag – war angesichts der
Brunner’schen dreisten Vorwitzigkeit ganz und gar vergessen.
    Geschlagene fünf Minuten saß Paula Steiner regungslos
an ihrem Schreibtisch und starrte leeren Blicks aus dem Fenster. Dann endlich
stand sie auf, legte sich die Jacke über die Schultern und verließ das Zimmer.
Als sie bereits im Innenhof des Präsidiums angekommen war und auf den Fuhrpark
zuging, blieb sie abrupt stehen. Machte dann kehrt und rannte die Treppen zu
ihrem Büro hoch. Dort schaltete sie mit einer Genugtuung, der eine Spur Häme
beigemengt war, die Heizung wieder auf null. Sie war nun entschlossen, sich die
Hoheitsgewalt in ihrer Kommission mit aller Kraft und allen Mitteln
zurückzuerobern. Und Eva Brunner
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