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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf
Autoren: Petra Kirsch
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sollte, wenn sie in dieses Zimmer
zurückkehrte, es genauso ungemütlich und kalt vorfinden wie sie selbst heute an
diesem frühen Dienstagmorgen. Und dass das schon bald der Fall sein würde,
dafür würde sie umgehend sorgen.
    Eine knappe halbe Stunde später parkte sie den
Polizei- BMW in der so beschaulichen wie biederen
Händelstraße, einer kurzen Seitengasse der viel befahrenen Eichendorffstraße,
die vor allem den zahlreichen Pendlern aus dem östlichen Nürnberger Umland als
Ausfallstraße diente. Seitdem sie den Entschluss gefasst hatte, sich in ihrer
Kommission wieder als Primus inter pares zu behaupten, war ihre aufsteigende
Wut verraucht, und auch der Anflug von Selbstzweifeln hatte sich verabschiedet.
Sämtliche widersprechende Gefühlsregungen der zurückliegenden Stunden wurden
durch ihre Entscheidung und den Willen, sich in ihrer Kommission wieder an die
Spitze zu setzen, kurzerhand ausgelöscht.
    Sie hatte sich im Griff, war klar im Kopf und
entschlossen zum Handeln – und sogar ein wenig vergnügt. Als sie den Wagen
abschloss, strahlte sie eine beeindruckende Ruhe und Gelassenheit aus. In
diesem Moment hätte man den Kopf einer Buddha-Statue nach ihr meißeln können.
    Schon von Weitem sah sie die dicht an dicht geparkten
Einsatz-, Notarzt- und Rettungswagen vor der Hausnummer 73 sowie eine
Menschentraube, bestehend aus sechs oder sieben sehr jungen Schutzpolizisten,
von denen zwei rauchten. Und in deren Mitte Eva Brunner, die sich bestens zu
amüsieren schien. Paula näherte sich der Gruppe von hinten ohne Eile, fast
schon bedächtig. Aber es war kein Zögern in ihrem Gang, eher der
zielgerichtete, tänzelnde Anlauf eines Panthers, der bald von hinten zum Sprung
auf seine Beute ansetzen wird.
    Als sie die Gruppe erreicht hatte, sahen einige der
Polizisten kurz zu ihr auf, um ebenso schnell wieder wegzublicken. Niemand
machte Anstalten, sie vorbeizulassen. Keiner trat zur Seite. Der Kreis blieb
geschlossen. Typisches Gruppenverhalten, dachte die ehemalige
Soziologiestudentin Steiner. Eva Brunner war so sehr in das Gespräch mit den
Kollegen vertieft, dass sie von dem sich nähernden Panther nichts mitbekam.
    Â»Guten Morgen, Frau Brunner, guten Morgen, meine
Herren«, sagte Paula Steiner laut und sehr, sehr freundlich.
    Da endlich registrierte sie auch die Jungkommissarin,
die ihr zur Begrüßung lediglich einen abweisenden, hochmütigen Blick zuwarf.
    Das überraschte sie nun doch. Dass es schon so weit
gekommen war … Meine Schuld, dachte sie noch, ich habe alles laufen lassen. Ich
hätte besser aufpassen sollen. Jetzt muss ich die Scharte auch wieder
auswetzen.
    Â»Wer leitet denn hier den Einsatz?«, fragte sie mit
einem leisen Lächeln.
    Es war diese betont arglos gestellte Frage, die den
Halbkreis blitzschnell auflöste. Aus der vormals fröhlichen Plaudergruppe, die
die Passanten zum Ausweichen auf die Straße nötigte, wurde im Handumdrehen eine
vorschriftsgemäße polizeiliche Absperrung. Die beiden Raucher beeilten sich,
ihre Zigaretten im Rinnstein auszudrücken, Uniformjacken wurden glatt gezogen,
Haltung wurde angenommen. Schließlich deutete einer der Schutzpolizisten, ein
blonder Krauskopf, in Eva Brunners Richtung.
    Â»Dann ist die Leiche also schon abtransportiert
worden?«, sagte Paula, noch immer mit diesem feinen Lächeln, ihrer
Allzweckwaffe in Situationen wie dieser. Sie gab sich Mühe, ihre Frage so
unbedarft und naiv wie möglich klingen zu lassen.
    Als Antwort erhielt sie, wieder von dem Krauskopf, nur
ein kurzes Kopfschütteln.
    Â»Nein, das kann nicht möglich sein! Das glaube ich
einfach nicht!«, rief sie erstaunt aus. Sie wandte sich ihrem stummen
Informanten zu. »Denn Frau Brunner arbeitet seit einem Jahr in meiner
Kommission und weiß demzufolge ganz genau, dass sie zum einen als
Kommissar-Anwärterin keinen Einsatz leiten darf. Und dass sie, sollte sie dies
doch tun und damit gegen die Vorschriften verstoßen, dann zum andern auf keinen
Fall, aber auf gar keinen Fall den Einsatzort verlassen darf. Und dieser ist
doch, soweit ich informiert bin, nicht auf dem Bürgersteig, sondern in der
Wohnung da oben. Oder täusche ich mich da?«
    Sie erhielt keine Antwort. Die brauchte sie auch
nicht. Denn sie hatte keine Frage, sondern etwas klargestellt. Der Panther
hatte seine Krallen schon ausgefahren. Noch hielt er sein Opfer im Maul,
behutsam
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