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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf
Autoren: Petra Kirsch
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mir verloren gehen, wenn ich sie jetzt nicht nehme. Und zweitens, ja, ich muss auch mal raus aus dem ganzen Trott. Ich brauche auch mal Abstand.«
    Â»Aber hoffentlich nicht Abstand von mir«, versetzte Paul mit einem gutmütigen Lacher. »Wolltest du nicht deine Wohnung nächste Woche auf Vordermann bringen? Ich helf dir dabei.«
    Â»Und wann willst du mir dabei helfen? Du hast wohl auch Urlaub genommen? Das wusste ich ja gar nicht.« Pauls unerschütterlich gute Laune brachte sie mehr und mehr auf die Palme.
    Â»Nein, Urlaub hab ich keinen. Dafür war ich doch über die Weihnachtsfeiertage weg. Und zweimal hintereinander geht nicht.«
    Â»Aha. Also kein Urlaub. Und wie hast du dir dann deine Hilfe bei den Renovierungsarbeiten vorgestellt, wenn die Frage erlaubt ist?«
    Â»Die Frage ist erlaubt. Am Abend, dachte ich halt, nach der Arbeit.«
    Â»Oh toll, ganz toll. Ich soll hier also den ganzen Tag auf dich warten, bis du dann um sieben, halb acht aus Erlangen kommst. Müde und hungrig. Das ist mir aber wirklich eine enorme Hilfe. Danke für dein großzügiges Angebot.«
    Â»Sag mal, Paula, meine allerliebste Paula, kann es sein, dass du momentan sehr schlechte Laune hast? Versuchst du gerade, die bei mir abzuladen?«
    Â»Ich habe keine schlechte Laune!«, schrie sie ins Telefon. »Ich hasse es nur, wenn man mir dumm kommt mit solchen halbherzigen Angeboten. Außerdem hättest du vielleicht vorher schon mal fragen können, ob …«
    Aber da hatte Paul Zankl schon aufgelegt, so abrupt wie grußlos.
    Das brachte sie nur noch mehr in Rage, als sie ohnehin schon war. Legt der einfach auf … Sie stand noch eine Weile in der Diele, mit zusammengepressten Lippen und vor Wut verengten Augen, dann marschierte sie zielstrebig ins Wohnzimmer, entnahm dem Bücherregal ihren alten Diercke-Weltatlas aus der Schulzeit und setzte sich damit aufs Sofa.
    Dort atmete sie zweimal tief durch und schlug die Deutschland-Karte auf. Südlich von Nürnberg brauchte sie gar nicht zu schauen, dort waren die Autobahnen und Hotels sicher voll. Antizyklisch fahren, darauf kam es jetzt an. Nicht wie alle anderen der Sonne hinterherjagen, sondern vorausschauend Staus aus dem Weg gehen. Jawohl, das schien doch schon mal sehr schlau von ihr zu sein. Der Norden kam nicht in Frage, zu kalt. Sie wanderte mit dem Finger nach Osten. Nein, das auch nicht. Blieb nur mehr der Westen. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf das Elsass. Frankreich? Zu weit weg. Schließlich blieb ihr Zeigefinger in der Schwäbischen Alb hängen.
    Jawohl, das war es. Blaubeuren, da würde sie die nächsten Tage Urlaub machen. Das wollte sie doch schon seit Langem – dorthin fahren, wo Mörike seine »Historia von der schönen Lau« geschrieben hatte. Dazu gutes Essen, der hochgelobte Wein aus der Region und vielleicht sogar die eine oder andere Wanderung, das würde sicher ganz nett werden. Und keiner sollte davon erfahren, wo sie ihren Urlaub verbracht hatte. Vor allem Heinrich nicht, der ihr sein letztes Urlaubsziel ja auch bis heute hartnäckig verschwiegen hatte. Der auf ihre offenen und versteckten Fragen danach immer nur gesagt hatte: »Mein Privatleben geht dich nichts an, Paula! Du musst nicht alles wissen!« Sie klappte den Atlas zu und legte ihn griffbereit auf das Dielenschränkchen.
    Dann ging sie in die Küche zurück und setzte in dem großen Nudeltopf Wasser auf. Mit der Aussicht auf eine gehoben-bodenständige Küche in den nächsten Tagen entfiel heute ein raffiniertes Abendmahl. Spaghetti mit grünem Pesto aus dem Glas, das war ihr Karfreitagsessen.
    Sie griff nach der Weinflasche und war erstaunt, dass diese bereits gut zur Hälfte geleert war. Das ging so auch nicht mehr weiter. Ab morgen gäbe es nur mehr ein Glas zum Abendessen, das musste reichen. Hatte ja früher auch gereicht.
    Und da sie gerade bei den guten Vorsätzen war: Ab morgen, nahm sie sich vor, wird auch weniger geraucht. Eine Zigarette nach dem Frühstück, eine um die Mittagszeit, abends noch eine oder höchstens zwei. Das muss genügen. Tagsüber die Wanderungen, abends dann die entsprechende Bettschwere, ach, mal so richtig ausschlafen, das wird herrlich.
    Und nach Ostern wird das alles beibehalten: früh aufstehen, viel zu Fuß erledigen, früh ins Bett; es war ihr, als hätte sie mit diesen guten Vorsätzen schon den schwersten Teil ihrer
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