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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf
Autoren: Petra Kirsch
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studierte ihn sekundenlang. Nachdem er damit fertig war, gab er ihn ihr mit einem spöttischen Lächeln zurück.
    Â»Sie dürfen ihn ausnahmsweise sehen, aber ich sag es Ihnen gleich: Ansprechbar ist er nicht. Wir mussten ihn sedieren. Als er hier eingeliefert wurde, konnte er sich ja nicht einmal an seinen Namen …«
    Â»Das weiß ich bereits«, unterbrach sie ihn ungehalten. »Also bitte, wo finde ich ihn?«
    Der Blondschopf murmelte etwas in seinen Becher, von dem sie nicht hätte sagen können, ob es jetzt die gewünschte Auskunft oder ein »Scher dich zum Teufel« war. Nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, wohl Letzteres. Sie wiederholte ihre Frage, nun schärfer und ohne angehängte Bitte.
    Schließlich löste sich eine Schwester mittleren Alters, die sie bis dahin gar nicht wahrgenommen hatte, aus der rechten Zimmerecke und gab ihr zu verstehen, dass sie sie dorthin führen würde.
    Paula wollte soeben die Tür hinter sich schließen, da rief ihr der Pfleger hinterher: »Wir haben es übrigens nicht so gern, wenn Mörder auf unserer Station liegen.«
    Sie musste nicht überlegen, was sie daraufhin antworten könnte. Es sprudelte einfach aus ihr heraus.
    Â»Eine interessante Feststellung. Ich hoffe für Sie, Sie meinen damit nicht Kriminaloberkommissar Bartels. Denn dann wäre ich ja gezwungen, eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie in die Wege zu leiten. Zum einen wegen übler Nachrede, zum anderen deswegen, weil wir«, sie betonte das Personalpronomen, »dann davon ausgehen müssten, dass Sie auf Ihrer Station Kriminaloberkommissar Bartels nicht die umfassende Pflege angedeihen lassen, die er gerade in seinem Zustand so nötig hat.«
    Sie sah ihn lange prüfend an. »Welche Mörder liegen denn nun auf Ihrer Station?«
    Nachdem er nicht antwortete, fügte sie hinzu: »Und Ihren Namen brauche ich jetzt auch.«
    Widerwillig und ohne sie dabei anzusehen, beantwortete er zumindest ihre zweite Frage.
    Dann folgte sie der Schwester, die am Ende des Gangs rechts vor dem letzten Zimmer stehen blieb und sich zu ihr umdrehte.
    Â»Mein Kollege hat das nicht so gemeint, da bin ich mir sicher. Bei uns ist heute schon den ganzen Tag der Teufel los. Ständig neue Einlieferungen. Wir müssen dauernd umbelegen. Nicht, dass ich das gut finden würde, was er da vorhin gesagt hat, aber legen Sie das bitte nicht auf die Goldwaage. Selbstverständlich ist Herr Bartels bei uns gut aufgehoben. Da brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen.«
    Die Schwester, auf deren Namensschild »Ulrike« stand, nickte ihr zum Abschluss ihrer Rede freundlich zu. Dann öffnete sie die Tür.
    Paula hatte sich, bedingt durch die Querelen mit diesem Pfleger, auf den Moment des Wiedersehens mit Heinrich nicht vorbereiten können. Er hatte dieses Zimmer für sich allein. Sie trat an sein Bett und beugte sich über ihn. Die Augen waren geschlossen und die Arme über der Bettdecke ausgestreckt. Ein Venenkatheter in der linken Armbeuge führte zu einer Infusionsflasche. Sie starrte auf seinen Mund, der so ungewohnt ernst wirkte. Jegliches Leben war aus ihm gewichen.
    Â»Sie können ihn gerne an den Händen berühren und mit ihm reden«, sagte die Schwester hinter ihr. »Fast jeder sedierte Patient nimmt seine Umgebung irgendwie wahr, mehr oder weniger. Wir gehen so mit ihm um, als wenn er bei Bewusstsein wäre.«
    Da ergriff sie vorsichtig seine linke Hand und murmelte leise: »Heinrich, du machst ja Sachen.«
    Eine Träne stahl sich aus ihrem rechten Augenwinkel und tropfte auf das steril weiße Bett. Sie wiederholte: »Heinrich, du machst ja Sachen. Also so was …« Mehr fiel ihr einfach nicht ein.
    Schließlich zog sie ihre Hand weg und richtete sich auf. Eine große Ratlosigkeit war in ihr. Aber auch Entsetzen, Ungläubigkeit, Sorge, Wut – das alles zusammen.
    Sie zwang sich, noch einmal auf seine geschlossenen Augen zu sehen. »Ich kümmere mich um alles, das versprech ich dir. Und du schaust zu, dass du wieder auf die Beine kommst. Morgen besuche ich dich wieder, Heinrich. Und in der Zwischenzeit passt du gut auf dich auf.«
    Dann drehte sie sich abrupt um und eilte aus dem Zimmer. Vor der Tür dankte sie der Schwester und fragte: »Wo finde ich den diensthabenden Arzt? Kann ich ihn sprechen?«
    Â»Heute leider nicht mehr.« Schwester Ulrike
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