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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf
Autoren: Petra Kirsch
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bedeuten. Zählte für sie nicht als Hinweis auf irgendetwas. Nicht bei Heinrich, bei diesem sanften und geduldigen, chaotischen, durch und durch liebenswürdigen Menschen. Das war eine Falle gewesen. Eine kalkulierte Falle des Mörders.
    Sie war aber auch so hellsichtig, zu erkennen, dass sie diese Überzeugung besser für sich behielt. Und stattdessen das Offensichtliche scheinbar akzeptierte und so tat, als würde sie selbstverständlich auch dieser Möglichkeit bei ihren Ermittlungen nachgehen. Schon allein deswegen, damit ihr und nicht etwa Trommen dieser Fall übertragen wurde. Das war ihr grober Plan für den morgigen Tag. Alles Weitere würde sich finden. Sie füllte ihr Glas nach und ging ins Wohnzimmer.
    Im Teletext des bayerischen Fernsehens tauchte der Mord an diesem Jakobsohn nicht auf. Damit fehlte auch der Verdacht, ein Polizeibeamter könnte damit etwas zu tun haben. Das war gut. Gut für sie und gut für Heinrich. Denn so war der Druck der Öffentlichkeit, die rasch einen Schuldigen suchte und sich dabei immer auf das Naheliegende konzentrierte, nicht groß. Und sie war in der Wahl ihrer Wege ziemlich frei.
    Kurz nach Mitternacht ging sie ins Bett, bereits um halb fünf wachte sie auf. Sie gab sich Mühe, noch einmal einzuschlafen – sie musste ja heute an diesem wichtigen Tag fit und ausgeschlafen sein –, aber es klappte nicht. So wälzte sie sich von einer Seite zur anderen und verließ eine Stunde später ihr warmes Bett.
    Nach einer ausgiebigen Dusche begutachtete sie den Inhalt ihres Kleiderschranks. Genauso wichtig wie ihre körperliche Frische war heute ihr Äußeres, die Wahl ihrer Garderobe. Sie musste auf alle, zuvörderst auf Bauerreiß, einen professionellen, taffen, zu allem entschlossenen Eindruck machen.
    Sie entschied sich für ihren Hosenanzug, taubenblau, und ein weißes T-Shirt, den langweiligen Einheitslook aller erfolgreichen Politikerinnen. Die würden schon wissen, warum sie in dieser immer gleichen Kombination in die TV -Studios gingen oder vor die Mikrofone traten. Und dabei so unnahbar und von sich überzeugt wirkten. Das wollte sie schließlich heute auch, überlegen und sehr amtlich wirken.
    Während sie Kaffee trank und gedankenverloren drei Knäckebrote aß, gab sie sich Mühe, ihr professionelles Outfit nicht zu bekleckern. Als sie die Wohnung verließ, war es noch so früh, dass fast alle Parkbuchten vor dem Haus frei waren.
    Am Hauptmarkt zog sie sich die »Bild am Sonntag« aus dem Zeitungsständer und überflog sie noch an Ort und Stelle. Zwar stand darin die Nachricht über den Mord an dem vierundfünfzigjährigen Ulrich J., aber die Beteiligung eines Polizeibeamten wurde darin nicht erwähnt. Es fand sich nur der Hinweis, dass neben dem Toten ein Schwerverletzter männlichen Geschlechts mit einer Waffe in der Hand aufgefunden wurde, und der versteckte Tadel, dass die Polizei erst demnächst ihre Arbeit aufnehmen würde. Und es wurde betont, dass der Sprecher der Staatsanwaltschaft Einzelheiten zu dem Tathergang »aus ermittlungstaktischen Gründen« vorerst nicht nennen wollte.
    Als sie das Präsidium betrat, war es sieben Uhr dreißig. Sie entschied sich dagegen, in ihr Büro zu gehen, und machte sich stattdessen auf direktem Weg zu Fleischmann. Da ihr Klopfen an der Tür seines Vorzimmers ohne Ergebnis blieb und diese verschlossen war, versuchte sie es an seiner Bürotür. Nach einer Weile hörte sie, wie jemand den Schlüssel umdrehte, dann stand auch schon der Kriminaloberrat vor ihr.
    Â»Guten Morgen, Frau Steiner. Schön, dass Sie es so früh einrichten konnten«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann Fleischmann ihr jemals die Hand gegeben hatte. Wahrscheinlich hielt er diese Geste dem Ernst der Lage angemessen. Er schloss hinter ihr die Tür und bedeutete ihr mit einem Fingerzeig, in der kleinen Sitzgruppe Platz zu nehmen. Nachdem sie dieser Aufforderung gefolgt war, setzte auch er sich. Auch dies war ungewöhnlich. Sonst saß er immer, wenn es mit ihr etwas zu besprechen gab, auf dem großen Drehsessel hinter seinem Schreibtisch.
    Nachdem er sie eine Weile angesehen und diese Observation mit einem kleinen anerkennenden Kopfnicken beendet hatte, eröffnete er das Gespräch.
    Â»Ich sehe, Sie wissen, wie wichtig diese Konferenz heute für uns beide ist.
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