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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf
Autoren: Petra Kirsch
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lächelte sie an.
    Â»Ich hatte schon damit gerechnet, dass du demnächst
eintreffen würdest. Dass es allerdings jetzt doch so schnell ging, hatte ich
nicht vermutet. Es ist auf jeden Fall schön, sehr schön sogar, dass du«, sagte
er mit Betonung auf dem Personalpronomen, »nun da bist.«
    Das war alles, was er von sich aus zum Fall Brunner
sagte – und auch in Zukunft sagen würde. Müdsam war zu beherrscht und auf dem
zwischenmenschlichen Sektor zu wenig neugierig, um sich an den internen
Klatschspiralen zu beteiligen, was sie manchmal bedauerte. Wer immer ihm etwas
Pikantes aus dem Kollegenkreis erzählen würde, musste nicht befürchten, dass
der Pathologe dies weitertrug. Es versandete bei ihm einfach wie ein einzelner
Tropfen Wasser in der Wüste. Und doch oder gerade deshalb war das Wenige, was
er ihr zur Begrüßung gesagt hatte, für sie Andeutung genug, um sich ein gutes,
hinlänglich genaues Bild vom Auftreten ihrer Mitarbeiterin machen zu können.
    Â»Also«, fuhr er fort, ohne ihr die Gelegenheit zu
diesbezüglichen Nachfragen zu geben, »in der Lage, wie du die Tote im Moment
siehst, haben wir sie nicht vorgefunden, obgleich sie in der Diele, und zwar
hier direkt hinter der Wohnungstür, ermordet wurde. Unsere Kollegen mussten die
Tür aufbrechen, um reinzukommen, dadurch haben sie ihre Stellung schon das
erste Mal verändert. Dann hat man sie so hingelegt, wie du sie jetzt siehst.
Wie ich bisher erkennen konnte, wurde sie erstochen. Mit einem Hirschfänger
oder etwas Ähnlichem, darauf lassen die Stichwunden schließen. Es muss auf
jeden Fall etwas mit einer breiten Klinge und einem zweischneidigen Schliff
gewesen sein. Erst in die Halsschlagader«, er bückte sich und zeigte auf die
schmale streichholzlange Wunde am seitlichen Halsansatz des Opfers, »und dann,
als sie nach hinten zusammensackte, noch mal in den Bauch und in die Lenden.
Ich denke, sie ist hier in der Diele verblutet. Hast du den Fleck auf und unter
dem Fußabstreifer gesehen?«
    Sie nickte.
    Â»Alles Weitere wie immer nach der Obduktion.«
    Â»Das heißt: Du könntest eigentlich schon wieder
gehen?«
    Â»Ja, ich bin so weit durch.«
    Â»Wo sind denn die andern?«
    Â»Die warten auf dem Balkon auf dich. Klaus, kommst du
mal?«, rief Müdsam. »Paula ist jetzt da.«
    Sekunden später stand Klaus Dennerlein vor ihr und
begrüßte sie mit einem verschwörerischen Grinsen.
    Â»Na endlich. Das wurde aber auch Zeit, dass du kommst.
Deine Brunner hat hier nur alles aufgehalten.«
    Bevor sie ihn unterbrechen konnte, fuhr er fort.
»Also, was ist? Das komplette Programm?«
    Â»Natürlich. Warum fragst du?«
    Als Antwort öffnete er die Tür zu dem Zimmer, aus dem
er gekommen war, und deutete mit dem Kopf in den Raum.
    Â»Um Gottes willen!«, sagte sie mehr zu sich als zu
Dennerlein. »Das ist ja furchtbar.«
    Der Größe nach zu urteilen, musste das das Wohnzimmer
sein. Paula hatte im Fernsehen schon einmal die Behausung eines männlichen
Messies gesehen; beim Zappen war sie bei der Reportage eines Privatsenders
fasziniert hängen geblieben. Aber das hier war die direkte brutale Realität,
das war live. Das hier war überhaupt nicht grell, dramatisch und spannend,
sondern nur banal und trist. Anrührend in seinem stummen Elend.
    Ein vor langen Jahren weiß gestrichener Raum, heute
fahlgelb, genau wie die fleckigen Kunststoffgardinen. Kein Wandschmuck, die
Fensterbretter vollgestellt mit Nippes und verwelkten Topfpflanzen. Bücher,
Zeitungen, Kataloge und Prospekte, Tüten, defekte Haushaltsgeräte und Werkzeug
aller Altersstufen bis an die Decke in den zahllosen Regalen hochgestapelt, die
im Schulterschluss die Wände bedeckten. Riesige Haufen von Kleidungsstücken,
Schuhen, Decken und Kissen auf dem Boden. Dazwischen und darauf Plastiktüten,
Kisten, Kartons und Koffer, aus denen wiederum Alltagsgegenstände mit und ohne
Gebrauchsspuren hervorquollen.
    Dennoch erkannte sie in dem Chaos den vergeblichen
Versuch, so etwas wie Ordnung in die Unordnung zu bringen. Denn all die
Behältnisse schienen thematisch sortiert zu sein. Vor ihr stand ein billiger
Pappkoffer, der aufgeklappt und ausschließlich mit schwarzen
Plastikkleiderbügeln bestückt war. Aus einer Abfalltüte ganz hinten schauten
zwanzig – oder waren es dreißig, gar vierzig? – Fahrrad-Luftpumpen
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