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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf
Autoren: Petra Kirsch
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Feiern, eher für das Gegenteil: Es war ein Grund, sich
einzuigeln, sich zu verkriechen und zu hoffen, dass dieses einschneidende Datum
möglichst unbemerkt von der Außenwelt vorüberging. Sie nahm sich vor, gleich
heute noch für eine entsprechende Klarstellung im Kollegenkreis zu sorgen: Eine
wie auch immer geartete Feier würde es von ihrer Seite nicht geben; desgleichen
würde sie sich Geschenke oder Gratulationen, egal ob persönlich oder
schriftlich, mit allem Nachdruck verbitten.
    Gedankenschwer verließ sie kurz darauf die Wohnung und
überquerte den Vestnertorgraben, ohne wie sonst die Kaiserburg, das ihrer
Ansicht nach schönste Gebäude ihrer Heimatstadt Nürnberg, mit einem
bewundernden Blick zu würdigen. Erst als sie zügigen Schrittes den Hauptmarkt
hinter sich gelassen hatte und in die Kaiserstraße abgebogen war, blieb sie
unvermittelt stehen.
    Irgendetwas war an diesem Dienstag anders als sonst.
Irgendetwas Neues lag in der Luft. Es dauerte eine Weile, bis Paula Steiner
darauf kam, was dieses Etwas war: Heute schien nach einem kalten, langen und
harten Winter der erste Tag in diesem Jahr zu sein, an dem es weder regnete
noch schneite. Sie sah zum Himmel. Keine Wolken, kein ewiges Grau-in-Grau,
heute spannte sich über ihr dieses perfekte monochrome Blau, nach dem sie sich
in den vergangenen Wochen so gesehnt hatte.
    Noch immer war es kühl und kahl, aber das Vermanschte
und Abgenutzte, das Feuchte und Fahle der vergangenen Monate schien vorbei, die
Kraft des Winters gebrochen zu sein. Endlich. Sie blieb stehen und atmete die
frische, prickelnde Luft mit geschlossenen Augen tief ein und aus. Heiterkeit,
vermengt mit einer kleinen Prise Zuversicht, erfüllte sie und tilgte augenblicklich
ihre Übellaunigkeit der frühen Morgenstunden. Schließlich setzte sie sich
wieder in Bewegung und legte den Rest des Weges mit gedrosseltem Tempo zurück.
Wer sie so schlendernd durch die Kaiserstraße gehen sah, hätte in ihr eine
Spaziergängerin oder eine Touristin vermuten können, die auf Nürnbergs
teuerstem Pflaster die Schaufensterauslagen begutachtete.
    Um drei viertel neun öffnete sie die Tür zu ihrem
Büro. Enttäuscht registrierte sie, dass es verwaist und kalt war. Die beiden
anheimelnden Konstanten ihres Arbeitsalltags fehlten: Gesellschaft und Wärme.
Ohne den Mantel abzulegen, marschierte sie zur Heizung unter dem Fenster und
drehte den Regulator auf die höchste Stufe. Erst als sie sich an ihren
Schreibtisch setzte, sah sie den gelben Zettel, der auf ihrem Telefonhörer
klebte:
    An: Fr. Steiner
    Von: E. Brunner
    Zeit: 8.06 Uhr
    Mitteilung: Fahre jetzt
in die Eichendorffstraße 73. Allein, da Sie leider nicht da sind und Herr
Bartels sich für heute krankgemeldet hat. Werde dort die Ermittlungen leiten
und auf Ihr Eintreffen warten.
    Noch bevor sie die Notiz zu Ende gelesen hatte,
waren der Verdruss und die schlechte Laune zu ihr zurückgekehrt. Hatten sich
durch diese Mitteilung noch um ein gehöriges Maß potenziert. Hier machte ja
jeder, was er wollte! Der eine feierte krank, gerade wie es ihm in den Sinn
kam, und es kam ihm immer öfter in den Sinn. Und die andere mit ihren
lächerlichen fünfundzwanzig Jahren maßte sich Befugnisse an, die ihr in keiner
Weise zustanden! Die nur ihr als Leiterin der Kommission zukamen. »Werde dort
die Ermittlungen leiten. Da Sie leider nicht da sind«. Eine Unverschämtheit ihr
gegenüber war das.
    Am meisten störte sie das »leider« in der Notiz. Was
gab es da zu bedauern, wenn sie nicht zur selben Zeit wie ihre übereifrige
Kollegin im Büro war? Und selbst wenn sie erst verspätet hier eintreffen würde,
wäre das kein Grund für einen derartigen versteckten Tadel, den sie aus diesem
»leider« heraushörte. Sie hatte ihre Kommission nicht mehr im Griff, das musste
und würde sie ändern. Und zwar heute noch. Sie in ihrem Alter und mit ihrer
Erfahrung, ihrem Wissen ließ sich doch nicht von diesen beiden Grünschnäbeln
auf der Nase herumtanzen! In dem Moment, als sie in dieser Gedankenkette nur
mehr ein klitzekleines Glied von einem handfesten Wutausbruch trennte,
klingelte das Telefon.
    Â»Na endlich, Paula, dass man dich auch mal erwischt!
Ich versuche es schon seit einer Stunde. Wo warst du denn die ganze Zeit?«,
fragte Matthias Breitkopf, ihr Kollege vom Kriminaldauerdienst, zwar leutselig,
aber auch ein wenig
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