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Sharpes Beute

Titel: Sharpes Beute
Autoren: Bernard Cornwell
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KAPITEL 1
 
    Captain Henry Willsen vom »Dreckigen halben Hundert« Seiner Majestät, offiziell das 50. Regiment von West Kent, parierte den Säbel seines Gegners. Er tat es übereilt und ließ seine rechte Hand hängen, sodass sich die Säbelklinge in der Position befand, die den Fechtmeistern als quarte basse bekannt ist, und die sachverständigen Zuschauer hielten die Parade für schwach.
    Ein überraschtes Murmeln setzte ein, denn Willsen war gut. Sehr gut sogar. Er hatte angegriffen, jedoch den Konter seines größeren Gegners zu spät erkannt und war jetzt auf desorientiertem Rückzug.
    Der größere Mann setzte nach, parierte die quarte basse, sodass Willsen zurücksprang und seine leichten Fechtschuhe auf dem Holzboden quietschten. Allein das Geräusch seiner Schuhe auf dem vibrierenden Boden ließ auf Panik schließen.
    Die Säbel klirrten wieder hart gegeneinander, der größere Mann stürmte vorwärts, sein Säbel stieß vor, und Willsen konterte in offensichtlicher Verzweiflung, bis er - so schnell, dass die Zuschauer kaum der Bewegung seines Säbels folgen konnten - zur Seite sprang und bei einer Riposte die Wange seines Gegners traf. Die Riposte schien nicht wuchtig ausgeführt zu sein, denn ihre Kraft kam aus Willsens Handgelenk, statt aus dem ganzen Arm, doch die Säbelklinge traf den größeren Mann, sodass er das Gleichgewicht verlor. Er schwankte, sein rechter Arm fuchtelte herum, und Willsen berührte mit der Spitze seines Säbels fast sanft die Brust eines Gegners, der daraufhin zu Boden stürzte.
    »Genug!«, rief der Fechtmeister.
    »Verdammt.« Der gefallene Mann schwang seine Klinge in einem Wutausbruch nach Willsens Fußknöchel. Willsen blockte den Hieb leicht ab und wandte sich einfach ab.
    »Ich sagte ›genug‹, Mylord!«, rief der Fechtmeister ärgerlich.
    »Wie, zum Teufel, haben Sie das gemacht, Willsen?« Lord Marsden zog den gepolsterten Lederhelm mit der Schutzblende vom Gesicht. »Ich hatte Sie schon so gut wie am Arsch!«
    Willsen, der den gesamten Ablauf des Kampfes geplant hatte, von dem Moment an, in dem er absichtlich die lässige quarte basse gemacht hatte, verneigte sich. »Vielleicht habe ich einfach Glück gehabt, Mylord.«
    »Kommen Sie mir nicht gönnerhaft, Mann«, blaffte Lord Marsden und rappelte sich auf. »Was war mein Fehler?«
    »Ihre Cavation war zu langsam, Mylord.«
    »Den Teufel war sie«, grollte Lord Marsden. Er war stolz auf seine Fähigkeiten mit Florett oder Säbel, doch er wusste, dass Willsen ihn hereingelegt hatte, indem er einen übereilten Rückzug vorgetäuscht hatte. Seine Lordschaft blickte finster drein. Dann erkannte er, dass er ungnädig war. Er schob den Säbel unter den Arm und streckte eine Hand aus. »Sie sind schnell, Willsen, verdammt schnell.«
    Die Hand voll Zuschauer applaudierte bei der sportlichen Geste. Sie waren in Horace Jackson's Hall of Arms, einer Einrichtung in Londons Jermyn Street, wo wohlhabende Männer die Künste des Boxens, Fechtens und Pistolenschießens erlernen konnten. Die Halle war ein hoher kahler Raum mit Ständern für Degen und Säbel an den Wänden, in dem es nach Tabak und Liniment roch und das mit Bildern von Preiskämpfern, Bulldoggen und Rennpferden geschmückt war. Die paar Frauen in der Halle servierten Getränke und Essen oder arbeiteten in den kleinen Zimmern über der Halle, wo die Betten weich und die Preise hoch waren.
    Willsen nahm seinen Helm ab und fuhr sich durch sein langes blondes Haar. Er verneigte sich vor seinem geschlagenen Gegner und trug dann beide Säbel zu den Waffenständern an der Seite der Halle, wo ein großer, sehr schlanker und außergewöhnlich gut aussehender Captain im roten Rock und den blauen Aufschlägen des 1st Regiment of Foot Guards wartete. Der Gardist, ein Fremder für Willsen, warf eine halb gerauchte Zigarre fort, als sich Willsen näherte.
    »Sie haben ihn zum Narren gemacht«, sagte der Captain heiter.
    Willsen runzelte die Stirn über die Frechheit des Fremden, antwortete jedoch höflich genug. Schließlich war er Angestellter von Horace Jackson's Hall, und der Captain der Gardisten, nach dem eleganten Schnitt seiner teuren Uniform zu schließen, war ein Kunde. Darüber hinaus der Typ Kunde, der es nicht erwarten konnte, sich gegenüber dem gefeierten Henry Willsen zu beweisen.
    »Ich habe ihn zum Narren gemacht?«, fragte Willsen. »Wie?«
    »Die quarte basse«, sagte der Gardist. »Sie haben sie absichtlich schwach ausgeführt, stimmt's?«
    Willsen war
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