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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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annimmt?«
    »Wir haben ja gar keinen Bischof«, antwortete darauf La Boétie, mit dem Handrücken seinen Bart glättend. »Unser Bischof Nicolas de Gadis, welchen die Gemahlin des Dauphins 1 hat ernennen lassen, stammt wie selbige Dame aus Florenz und lebt in Rom, allwo er auf seinen Kardinalshut wartet.«
    »In Rom!« rief Siorac. »Da muß der von den Bauern ausgeschwitzte Kirchenzehnt aber eine lange Reise machen, um zu ihm zu gelangen!«
    Worüber Etienne gar herzlich zu lachen anhub, so daß sich sein schwermütiges Gesicht unversehens wieder verjüngte.
    »Wir haben jedoch einen Coadjutor«, fuhr La Boétie leicht spöttisch fort, »einen gewissen Jean Fabri.«
    »Aber der wohnt in Belvès«, setzte Etienne hinzu, »denn die Luft von Sarlat verursacht ihm Beklemmungen, vor allem im Sommer …«
    »Und von Sarlat nach Belvès«, fügte Siorac im gleichen Ton wie Etienne an, »ist auch die Reise für den Kirchenzehnt nicht so lang …«
    »Aber einiges von besagtem Zehnt muß wohl in Sarlat verbleiben, denn es gibt hier noch den Generalvikar Noailles, welcher nach seinem Gutdünken regiert.«
    Diese Wechselrede hatte zwischen den vier Männern, halb verdeckt durch die augenscheinliche Scherzhaftigkeit ihrer Worte, eine freundschaftliche Übereinstimmung entstehen lassen. La Boétie erhob sich nun, legte Etienne, der es ihm nachtat, den Arm um die Schultern, blickte lächelnd seine Gäste an, welche ebenfalls aufstanden – Sauveterre etwas langsamer wegen seines lahmen Beines –, und sprach mit perigurdinischem Witz, hinter welchem fast immer eine spöttische oder eine ernste Absicht steckt:
    »Messieurs, wenn Ihr Mespech haben wollt, geht es nicht ohne einige Zugeständnisse ab. Es wäre sicherlich zuviel verlangt von Euch, wenn Ihr Anthoine de Noailles eine Spende übergeben solltet zu Ehren der Heiligen Jungfrau, für welche Ihr seit langem besondere Verehrung hegt …«
    Siorac lächelte, ohne zu antworten, Sauveterres Miene indes blieb unbewegt.
    »Doch vielleicht könntet Ihr Euch entschließen, am kommenden Sonntag zum Hochamt in Sarlat zu erscheinen. Der Herr Generalvikar selbst wird die Messe lesen und nicht verfehlen, Euch zu bemerken.«
    »Nun gut«, erwiderte Siorac mit fröhlicher Miene, »wenn Mespech uns gefällt, werden wir ganz gewiß erscheinen.«
     
    Der Leutnant mit seinen Bütteln, gefolgt von den beiden Jeans, war kaum am Burgtor angelangt, da senkte sich schon die Fallbrücke vor ihnen herab. Maligou, gehörig gescholten, doch gleichwohl unendlich erleichtert, ward nach Hause geschickt und die Bewachung der Burg bis zur Versteigerung vier von La Boéties Männern übertragen. Der Kriminalleutnant befürchtete nämlich, Fontenac könnte einen letzten verzweifelten Versuch unternehmen und die Burg abbrennen, was die Baronie ihres Herrensitzes beraubt hätte, so daß von Mespech nur noch die Ländereien geblieben wären, welche niemanden als den mächtigen Nachbarn zum Kauf gereizt hätten.
    Nachdem La Boétie sich verabschiedet, inspizierten Siorac und Sauveterre Mespech vom Boden bis zum Keller. Dies geschah an einem Donnerstag. Am Freitag durchstreiften sie die Ländereien nach allen Richtungen. Am Samstag kehrten sie nach Sarlat zurück, wo sie sich vor dem Notario Ricou gegenseitig adoptierten und sich wechselseitig all ihren gegenwärtigen und künftigen Besitz überschrieben. Von diesem Augenblick an wurden die beiden Jeans zu Brüdern – verbunden nicht nur durch die Freundschaft, welche sie sich geschworen, sondern auch kraft des Gesetzes – und zu gegenseitigen Erben, so daß Mespech, wenn sie es erwürben, ihr gemeinsamer unteilbarer Besitz wäre.
    Ich habe diese bewegende Urkunde gelesen. Sie ist gänzlich in okzitanischer Sprache abgefaßt, während zu jener Zeit alle amtlichen Schriftstücke bereits in Französisch aufgesetzt zu werden pflegten; doch die Notare waren die letzten, welche sich dieser Regel beugten, da ihre Klienten die Sprache des Nordens oft nicht verstanden.
    Als sich nun die Kunde von der Verbrüderung der beiden Hauptleute in Sarlat verbreitete, begann man davon zu sprechen, daß diese beiden wackeren Männer die Burg Mespech dem Fontenac vor der Nase wegschnappen würden, welcheVermutung verstärkt ward, als man die beiden am nächsten Tage beim Hochamt sah. Es ging auch die Rede, daß sie nach der Messe dem Generalvikar Anthoine de Noailles eine Schenkung von fünfhundert tourischen Livres gemacht »für jegliche vormalige Soldaten des Königs, welche
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