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0315 - Wenn der Totenvogel schreit

0315 - Wenn der Totenvogel schreit

Titel: 0315 - Wenn der Totenvogel schreit
Autoren: Jason Dark
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»Mummy, Daddy! Schnell! Er ist wieder da. Er sitzt draußen, wirklich!«
    Die Stimme des Kindes überschlug sich und alarmierte seine eine Etage tiefer sitzenden Eltern.
    Lucy und Harry Finley sprangen aus ihrem Sessel. Es störte sie nicht, dass die »Glotze« weiterlief, aber beide waren bleich geworden, denn sie wussten, was die Rufe ihres Sohnes Jeff zu bedeuten hatten.
    Er war wieder da!
    Wie schrecklich!
    Lucy war grau im Gesicht geworden. Sie wirkte um Jahre gealtert.
    Lippen und Wangen zuckten, Schweiß stand auf ihrer Stirn, und sie war schneller als ihr Mann, der wegen seines vor einem halben Jahr gebrochenen Beines noch immer Schwierigkeiten mit dem Laufen hatte. Zum Glück konnte er seinen Job einigermaßen versehen, und der Baron drückte manchmal ein Auge zu, wenn es Lucys Mann nicht besonders ging.
    Auch das Haus gehörte dem Baron. Die Finleys zahlten jeden Monat ihren Mietzins. Inzwischen fühlten sie sich so, als wäre es ihr Haus.
    Lucy polterte die Treppe hoch. Oben angekommen, sah sie Jeff.
    Völlig aufgelöst war der siebenjährige Sohn. Sein Haar stand wirr in die Höhe, die Augen zeigten einen Schimmer von Angst, und seine Lippen zuckten.
    »Keine Angst, Jeffy, jetzt sind wir bei dir.« Lucy strich ihrem Sohn über den Kopf, bevor sie sich an ihm vorbeidrückte und das Kinderzimmer betrat.
    Das Zimmer lag zur Gartenseite. Dort standen die alten, hohen Bäume, und auf ihren Ästen hatte sie schon des öfteren den Unheimlichen gesehen.
    »Er ist da, Mummy, er ist da…«
    »Ja, ist ja schon gut«, erwiderte die Frau. Sie drängte sich in das Zimmer. Der Tür gegenüber lag das Fenster. Noch war es geschlossen, aber die Gardine war zur Seite geschoben.
    Lucy Finley wollte nicht, dass Jeff noch einmal nachschaute, deshalb drängte sie ihn zurück, brachte ihr Gesicht bis dicht an die Scheibe und legte rechts und links beide Hände gegen Stirn und Augenwinkel, damit das Licht sie nicht blendete.
    Sie starrte in die Dunkelheit.
    Hinter sich hörte sie Schritte, spürte den heftigen Atem ihres Mannes, als er warm ihren Nacken streifte, und hörte seine flüsternde Frage.
    »Siehst du ihn?«
    »Nein.«
    »Aber er ist da?«
    »Ich weiß es nicht, Harry. Jedenfalls hat Jeff davon gesprochen.«
    »Ja, das stimmt, ich habe ihn gesehen«, meldete sich der Siebenjährige.
    Sein Vater strich über den Kopf des Jungen. »Ist ja schon gut, Kleiner. Wir glauben dir.«
    Lucy hob die Schultern. »Tut mir leid, aber ich kann nichts erkennen. Nur die Dunkelheit und…«
    »Lass mich mal!« Harry legte beide Hände um die Schulterrundungen seiner Frau und schob sie zur Seite. Lucy wich nur zögernd, aber Harry machte Nägel mit Köpfen, denn er umklammerte mit der rechten Hand den Fenstergriff.
    »Nein, nicht«, rief der Junge. »Nicht öffnen, dann kommt er nachher noch ins Zimmer.«
    »Unsinn!« Harry drehte den Griff. Mit einem Ruck zog er das Fenster nach innen.
    Frostige Luft strömte in den Raum. Der März war noch einmal verflixt kalt geworden. Er hatte nicht nur Frost gebracht, sondern auch Schnee.
    Harry beugte sich vor. Vor seinen Lippen dampfte der Atem. Die Augen hatte der Mann weit aufgerissen, damit er sich in der Dunkelheit besser orientieren konnte.
    Harry Finley war mit der Natur groß geworden. Er hatte die meiste Zeit seines Lebens in den Wäldern des Barons verbracht, deshalb fürchtete er sich auch nicht vor ihnen.
    Doch der Blick in diesen Garten, der zu ihrem Haus gehörte, war anders als sonst. Die Augen des Mannes hatten einen seltsamen Glanz angenommen, den man mit dem Begriff Furcht umschreiben konnte. Ja, es war ihm nicht geheuer.
    Die Bäume mit ihren noch kahlen Ästen kamen ihm so fremd vor, so anders, so gespenstisch.
    Manche Zweige glänzten. Auf ihnen lag Raureif. Er gab den matten Schein ab, wenn das Licht aus dem geöffneten Fenster ihn berührte.
    Eine dunkle, gefährliche Insel war dieser Garten, und irgendwo musste er lauern.
    Der Mann sah ihn nicht. Er beugte sich weiter aus dem Fenster, klammerte sich mit den Händen an der vorspringenden Fensterbank fest, aber den Unheimlichen entdeckte er nicht.
    Harry Finley drehte sich wieder um. Er schaute seinen Sohn an.
    Der Kleine stand neben seiner Mutter, die einen Arm auf seine Schulter gelegt hatte.
    »Hast du ihn denn gesehen, Jeff?«
    »Nein, Dad.«
    »Nur gehört?«
    Der Junge nickte. »Ich… ich war ja schon eingeschlafen. Plötzlich hörte ich ihn wieder. Dann bin ich aufgewacht, aufgestanden und zum Fenster gelaufen
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