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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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Das, was ich davon kosten durfte, war großartig.«
    »Es wird immer besser, das fühle ich.«
    Ihr Händedruck war fest, kühl und trocken.
    Mein Cadillac Seville kochte auf dem offenen Parkplatz vor dem Gerichtsgebäude, und ich nahm rasch die Hand wieder vom Türgriff. Während der Bewegung fühlte ich, daß jemand hinter mir war, und drehte mich um.
    »’tschuldigen Sie, Doc.« Er schaute in die Sonne und blinzelte. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen, und das kanariengelbe Hemd hatte unter den Armen die Farbe von Senf angenommen.
    »Ich kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen, Mr. Moody.«
    »Nur eine Sekunde, Doc. Nur ein paar Sätze. Ein paar Punkte, auf die’s ankommt. Kapieren Sie?« Er stieß die Worte sehr schnell heraus. Während er sprach, bewegten sich die Pupillen seiner halbgeschlossenen Augen hin und her, und er schaukelte auf den Absätzen vor und zurück. In rascher Folge lächelte er, schnitt eine Grimasse, nickte, kratzte sich am Adamsapfel und zog die Nase hoch. Eine dissonante Symphonie aus Bewegungen und Ticks. Ich hatte ihn noch nie so erlebt, aber in Larry Daschoffs Bericht darüber gelesen, so daß ich ziemlich genau darüber informiert war, was da vor sich ging.
    »Tut mir leid, aber nicht jetzt.« Ich schaute mich auf dem Parkplatz um, doch wir waren allein. Die Rückseite des Gerichtsgebäudes grenzte an eine stille Nebenstraße in einer schäbigen Gegend. Das einzige Zeichen von Leben war ein magerer Köter, der auf der anderen Straßenseite mit der Schnauze im hoch wuchernden Gras stöberte.
    »Ach, kommen Sie, Doc. Ich will Ihnen ja nur das eine oder andere klarmachen, verstehen Sie, Tatsachen, wie diese Rechtsverdreher sagen.« Er begann immer schneller zu sprechen.
    Ich wandte mich von ihm ab, aber seine kräftige braune Hand schloß sich um mein Handgelenk.
    »Bitte, lassen Sie mich gehen, Mr. Moody«, sagte ich mit gezwungener Geduld. Er lächelte.
    »Hey, Doc, ich will ja nur reden mit Ihnen. Über meinen Fall.«
    »Es gibt keinen Fall. Ich kann nichts für Sie tun. Lassen Sie meinen Arm los.«
    Er verstärkte noch seinen Griff, ohne daß sich die Anspannung auf seinem Gesicht ausdrückte. Es war ein längliches Gesicht, sonnengebräunt und ledern, mit einer gebrochenen Stupsnase in der Mitte, einem Mund mit dünnen Lippen und übergroßen Kieferknochen - eine mandibulare Mißbildung, wie sie durch zu häufiges Tabak und Kaugummikauen oder durch Zähneknirschen entsteht.
    Ich steckte meine Wagenschlüssel in die Hosentasche und versuchte dann, seine Finger von meiner anderen Hand zu lösen, doch er leistete Widerstand und entwickelte dabei eine bemerkenswerte Kraft. Auch das ergab einen Sinn, wenn meine Vermutung den Tatsachen entsprach. Es kam mir so vor, als ob seine Hand an meinem Arm festgeschweißt wäre, und das begann allmählich zu schmerzen.
    Ich kalkulierte meine Chancen bei einer körperlichen Auseinandersetzung: Wir waren etwa gleich groß und gleich schwer. Jahre harter körperlicher Arbeit mit Balken und Brettern hatten seine Muskeln ausgebildet und trainiert, aber ich verstand genügend von Karate, um ein paar gute Griffe zu kennen. Ich hätte ihm einen Tritt gegen das Schienbein versetzen können, ihn dann auf den Solarplexus treffen, sobald er das Gleichgewicht verloren hatte, und davonfahren, während er noch auf dem Asphalt des Parkplatzes lag… Aber ich unterbrach beschämt den Gedankengang und sagte mir, daß eine Rauferei ausgesprochen absurd wäre. Dieser Mann befand sich in einem Zustand großer geistiger Verwirrung, und wenn es jemandem gelingen würde, diese Krise auf andere Weise als durch eine Prügelei zu entschärfen, dann war dazu niemand besser geeignet als ich.
    Ich ließ den freien Arm sinken.
    »Okay, ich höre Ihnen zu. Aber zuerst müssen Sie mich loslassen, sonst kann ich mich nicht auf das konzentrieren, was Sie zu sagen haben.«
    Er dachte einen Moment darüber nach, grinste dann breit. Seine Zähne waren in schlechtem Zustand, und ich fragte mich, wieso mir das bei der Begutachtung entgangen war, aber damals war er ganz anders gewesen in seinem Verhalten als jetzt: mürrisch und niedergeschlagen, dazu kaum bereit, den Mund auch nur für ein paar Worte aufzumachen.
    Er ließ mein Handgelenk los. Dort, wo er mich festgehalten hatte, war die Manschette meines Hemds feucht und warm.
    »Also gut, ich höre.«
    »Okay, okay, okay.« Er nickte immer noch mit dem Kopf. »Wollte ja nur Verbindung aufnehmen mit Ihnen, Doc, Ihnen zeigen, daß ich
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