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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig!
Autoren: Jonathan Kellerman
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diesen Eingriff des Richters in die Persönlichkeitsrechte seines Mandanten.
    »Es steht Ihnen frei, gegen meinen Spruch Berufung einzulegen, Mr. Durkin«, sagte sie gleichmütig.
    »Frau Richter…« Das war Moody. Seine tiefe Stimme klang trocken und angestrengt.
    »Ja, Mr. Moody?«
    »Sie verstehen das alles nicht.« Er rang die Hände. »Die Kinder, die sind mein ein und alles.«
    Einen Moment lang dachte ich, sie würde mit einer tüchtigen Standpauke beginnen. Statt dessen betrachtete sie ihn voller Mitleid.
    »Das kann ich durchaus verstehen, Mr. Moody. Ich glaube Ihnen, daß Sie Ihre Kinder lieben. Daß Ihr Leben zerbrochen ist. Und Sie tun mir leid deshalb. Aber andererseits müssen Sie einfach begreifen - denn das ist das eindeutige und ausdrückliche Ergebnis der psychiatrischen Untersuchungen -, daß man Kinder nicht für das Leben eines anderen, und sei es das ihres Vaters, verantwortlich machen kann. Das wäre eine zu große Last, als daß ein Kind sie tragen könnte. Sie können nicht erwarten, daß Ihre Kinder Sie erziehen, Mr. Moody. Umgekehrt müssen Sie sich erst als fähig zur Erziehung Ihrer Kinder erweisen. Derzeit sind Sie dazu nicht in der Lage. Sie brauchen Hilfe, aber nicht von Ihren Kindern, sondern von erfahrenen Experten, die die Kraft dazu besitzen.« Moody wollte etwas sagen, schluckte es aber hinunter. Dann schüttelte er niedergeschlagen den Kopf, gab Durkin das Taschentuch zurück und versuchte, einen Rest von Würde zu bewahren.
    In der darauffolgenden Viertelstunde ging es um die Regelung der Vermögensverhältnisse. Ich brauchte nicht zuzuhören, was mit dem spärlichen gemeinschaftlichen Besitz von Darlene und Richard Moody zu geschehen hatte, und hätte wohl auch den Gerichtssaal verlassen, aber Mal Worthy hatte erklärt, daß er danach unbedingt noch mit mir sprechen wollte.
    Als die finanziellen Angelegenheiten geregelt waren, nahm Richterin Severe die Brille ab und beendete die Sitzung. Dann schaute sie zu mir herüber und lächelte.
    »Ich möchte Sie einen Augenblick in meiner Kammer sprechen, wenn Sie noch so viel Zeit haben, Doktor Delaware.«
    Ich erwiderte das Lächeln und nickte dazu. Dann stand sie auf und verließ mit raschen Schritten den Gerichtssaal.
    Durkin brachte Moody unter den wachsamen Blicken des Justizbeamten nach draußen.
    Am anderen Tisch sprach Mal der verwirrten Darlene Moody Mut zu, klopfte ihr auf die plumpen Schultern und packte zwischendurch ganze Hände voll Dokumente in einen der zwei Koffer, die er bei sich hatte.
    Mal war in diesem Punkt geradezu zwanghaft: Wenn andere Anwälte sich mit einem kleinen Aktenköfferchen begnügten, karrte er Kisten und Koffer voller Dokumente herum, auf einem Gepäckkarren aus Chromstahl.
    Die ehemalige Mrs. Moody blickte zu ihm hoch, perplex, die Wangen fiebrig gerötet, und nickte immer wieder zustimmend. Sie hatte ihre Milchmädchenfigur in ein leichtes Sommerkleid gezwängt, welches mit so viel Rüschen besetzt war, daß es an eine Sturmflut erinnerte. Das Kleid war für eine mindestens zehn Jahre jüngere Frau gedacht, und ich fragte mich, ob sie ihre neugewonnene Freiheit mit der Rückkehr in die Jungmädchenzeit verwechselte.
    Mal trug die klassische Montur des Beverly-Hills-Anwalts: einen italienischen Anzug, Seidenhemd und Seidenkrawatte, dazu schicke Kalbslederschuhe mit angedeuteten Quasten. Das Haar trug er modisch lang und gelockt, den Bart ganz kurz geschnitten. Er hatte polierte Fingernägel, ein perfektes, leuchtendweißes Gebiß und die dazu passende Malibu-Bräune. Als er mich sah, blinzelte er mir zu, winkte dann und gab Darlene einen letzten gutmütigen Klaps. Anschließend nahm er ihre rechte Hand in seine beiden Hände, sprach noch ein paar Worte mit ihr und brachte sie zur Tür.
    »Danke für deine Hilfe, Alex«, sagte er, als er zurückgekommen war. Stöße von Papieren lagen immer noch auf dem Tisch, und er packte sie ein.
    »Es war mir kein Vergnügen«, erwiderte ich.
    »Nee. Bei so scheußlichen Geschichten kann von Vergnügen wirklich nicht die Rede sein.« Er meinte es aufrichtig, doch in seiner Stimme lag ein seltsames, leichtes Lispeln.
    »Aber du hast ja schließlich gewonnen.«
    Er hörte einen Moment lang auf mit dem Einräumen der Akten. »Ja. Weißt du, das ist eben mein Geschäft. Es ist wie beim Turnier. Ich muß siegen, um nicht unterzugehen.« Er schob seine Manschetten zurück und schaute auf eine waffeldünne Goldscheibe, die Armbanduhr. »Und ehrlich gesagt, es tut mir
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