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Florian und das Geisterhaus

Florian und das Geisterhaus

Titel: Florian und das Geisterhaus
Autoren: Oliver Hassencamp
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glaube, sie sind telepathisch begabt. Ich kann das beurteilen
    „Sie machten mal eine Andeutung“, unterbrach ihn der Spender.
    „Ich?“ August tat überrascht. „Das kann nicht sein! Da müssen wir uns über die Veredelung von Obst unterhalten haben. Das ist sonst gar nicht meine Art.“
    Nun kam der Kunde zur Sache. „Wie steht’s denn mit meinem nächsten Termin bei Madame? Geht’s wirklich erst in vierzehn Tagen? Übermorgen habe ich eine lebenswichtige Entscheidung
    Nach heftigem Umblättern im Kalender, daß die Seiten knatterten wie Papierfahnen im Wind, tönte August mit großer Wichtigkeit: „Moment! Moment mal. Ja, was seh ich denn da? Natürlich. Haben Sie ein Glück! Die Frau Baronin hat ja abgesagt! Vor einer Stunde hat sie angerufen. Sie ist krank. Also, das nenn ich Schicksal. Das soll so sein! Übermorgen um elf in der Ordination!“
    Ein knapper Dank, dann schnappte die Haustür zu.
    Florian und Agathe grinsten. Leise schloß sie die Küchentür, die August gleich darauf wieder öffnete. Gravitätisch kam er herein, setzte sich an den Tisch und sagte, weil die beiden keine Notiz von ihm nahmen, nach einleitendem Seufzer: „Ach, es ist doch schön, wenn man Menschen helfen kann! Grad kommt ein Kunde mit einem lebenswichtigen Problem zu mir, und, klug, wie ich bin, halte ich für solche Fälle immer Termine frei.“ Da die beiden sich auch hierzu nicht äußerten, seufzte er noch einmal und verließ die Küche.
    Draußen hörten sie ihn mit einem weiteren Kunden reden, der gerade aus Madames Ordination kam.
    Auch Florian hatte ein lebenswichtiges Problem: Soll ich weiteressen oder einen Trainingslauf zum Waldweiher machen? Sicher gibt’s heute abend was besonders Gutes!
    Da kam August zurück. Die Tante wolle ihren Neffen sprechen. Richtig! Sie hat ja was mit mir vor! dachte Florian. Das hab ich ganz vergessen.
    Er flitzte los, setzte sich erwartungsvoll auf den Kundenstuhl und schaute in die grünen Augen.
    „Gut, daß du Lene angerufen hast!“ begann sie. „Sonst hätte sie zu uns heraustelefonieren müssen und womöglich mich an den Apparat bekommen. Das wäre ihr schrecklich gewesen. Vor Jahren hat sie mich einmal konsultiert, als ihr Kurt waghalsige Geschäfte machte. Wie die ausgehen würden, wollte sie wissen. ,Leider gut!’ hab ich gesagt. ,Seriös ist es ja nicht, was er da macht!’ Seitdem spricht sie nicht mehr mit mir. So reagieren dumme Menschen, wenn sie etwas hören, das sie nicht wahrhaben wollen. Das wäre also erledigt. Nun zu uns: Es ist etwas dazwischengekommen, Flori . Mit dem Soupieren und Amüsieren wird’s heute nichts. Ich muß weg. Eine sehr, sehr kranke Kundin braucht mich.“
    „Wieso hast du das nicht vorausgesehen?“ Schon ärgerte ihn seine dumme, in der ersten Enttäuschung gestellte Frage. Er hatte sich immer noch nicht umgestellt. Tante Thekla sah nur das, worauf sie sich konzentrierte.
    Sie tröstete ihn: „Ärgere dich nicht! Du bist es nur nicht mehr gewöhnt. Morgen lebst du wieder mühelos auf zwei Ebenen und bald sogar auf drei. Ich habe ja, wie gesagt, etwas vor mit dir.“
    Diese Aussichten versöhnten ihn so sehr, daß er darüber zu fragen vergaß, was sie denn mit ihm vorhabe. Als ihm das auf- und die nächste brennende Frage einfiel, nämlich welches die dritte Ebene sei — die zweite war Aufhebung der Zeit, das Voraus-und Zurückwissen — , ob es sich hier um Aufhebung des Raumes handle, um Bilokation , das heißt gleichzeitige Anwesenheit an mehreren Orten, saß er schon wieder in der Küche und futterte weiter.
    Agathe sah, daß ihn etwas beschäftigte, aber sie fragte ihn nicht. Sensitive sind eben bewußter und damit rücksichtsvoller.
    Die Tante fuhr mit dem Wagen weg, Fridolin kam mit dem Motorrad. Der baumlange Kriminalassistent war Agathes größtes Problem: Sie wußte zeitweise, dann wieder nicht, ob sie ja sagen sollte, wenn er sie bitten würde, ihn zu heiraten. Madame, die für ihre Angestellten kostenlos hellsah , stellte sich in diesem Punkt blind. Da müsse Agathe selbst draufkommen.
    Hastig aß Florian auf, was noch dastand, dann ließ er die beiden allein. Was tun? August kam gerade aus dem Stall, wo er Susi und Resi, die beiden Haflinger versorgt hatte. Mit ihm wollte er jetzt nicht reden. So verkürzte sich der geplante Trainingslauf zu einem Sprint über die Treppe. Am offenen Giebelfenster beruhigte Florian seinen Atem und schaute über die Wipfel, die sich tiefschwarz vor dem dunklen Firmament abzeichneten. Es
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