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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben
Autoren: Theresa Baeuerlein
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»Herrmannsdorfer Landwerkstätten«, schreibt in seinem Buch »Tierisch Gut«: »Ich musste ein alter Mann werden, ehe ich ansatzweise begriff, was Böden sind, was sie leisten und wie unmittelbar unser Schicksal daran hängt.« ²⁰
    Jeder, der etwas von Nachhaltigkeit versteht, weiß, dass der Boden Schlüssel für alles ist. Für den größten Teil der Menschheitsgeschichte waren wenige Dinge für die menschliche Gemeinschaft so wichtig wie ihr jeweiliges Verhältnis zum Erdboden. Denn der war der Garant für ihre Hauptnahrungsquelle. In den letzten ein- bis zweihundert Jahren haben Landwirte die Böden verändert. Moderne Bearbeitungsmethoden haben Erosion und Nährstofffluss in der Erde umgestaltet – sowohl absichtlich als auch unabsichtlich.
    Ich selbst habe den Boden nie als etwas Besonderes wahrgenommen. Er war halt die harte Kruste der Erde, auf der wir laufen. Aber je mehr ich über Ernährung lernte, desto mehr verstand ich, was jeder, der etwas über Nachhaltigkeit wissen will, lernt: Im Boden steckt das, was wir zum Leben brauchen. Man kann das gar nicht oft genug sagen. Was das betrifft, sind wir gar nicht so anders als Pflanzen. Wir brauchen Luft, Licht, Wasser und das, was der Boden hergibt.
    Ausgerechnet die Böden aber leiden unter der industrialisierten Landwirtschaft, auf eine Weise, die man oft schlicht irreparabel nennen muss. Die Rede ist hier nicht von Ställen voller Schweine, sondern von Pflanzen. Denn ihr massenhafter Anbau – und das ist es, was de facto passiert – degradiert die Böden. Das gilt gerade für die großen Felder, auf denen Getreide wächst.
    Erdböden sind sehr komplexe wissenschaftlich erforschte Systeme. Erde ist eine Mischung aus Luft, Wasser, toter Biomasse und lebenden Organismen. In einem Esslöffel Erde wuseln leicht mehr als eine Million dieser Tiere. Diese Lebewesen übernehmen für die Pflanze im Prinzip die gleiche wichtige Arbeit, die für Menschen unser Verdauungssystem erledigt. Sie zersetzen totes Material von Tieren und Pflanzen und bereiten es dabei so auf, dass die Pflanze Nährstoffe aufnehmen kann. Ohne nährstoffreiche Böden können Pflanzen nicht wachsen – jedenfalls nicht die Pflanzen, die wir essen, und nicht in den Mengen, die wir verbrauchen. In freier Natur sind Pflanzen in einen Nährstoffkreislauf eingebunden, der nachhaltig ist, sich also ständig selbst regeneriert. Blätter fallen, Steine verwittern, Tiere sterben, lebende Tiere hinterlassen Exkremente, Federn und Haare. Bodenlebewesen verarbeiten das tote organische Material, setzen dabei Nährstoffe frei, welche die Pflanzen wieder über ihre Wurzeln aufnehmen können.
    In der industriellen Landwirtschaft ist dieses System ausgehebelt. Indem man Pflanzen auf einem Stück Land anbaut, sie erntet und anschließend wegschafft, entzieht man dem Boden Nährstoffe. Die Pflanzen haben diese während ihres Wachstums dem Boden entnommen und in die nahrhaften Samen gesteckt, die wir so lecker finden. Würde man die Pflanzen stehen lassen, gelangten die Stoffe wieder in den Boden. Auf dem Acker eines Getreidefelds bleibt aber nach der Ernte nur das Stroh zurück, im Vergleich zum eigentlichen Korn eine sehr magere Mahlzeit für die Bodenlebewesen, die den Erdboden mit ihren Zersetzungs- und Verdauungsprozessen fruchtbar halten. Sie finden schlicht kein Futter mehr. Die Erde ist immer noch da, aber sie ist nicht mehr lebendig.
    Jeder Gärtner weiß, wie man dieses Problem löst: mit Dünger. Sogenannte Volldünger enthalten die Kernelemente, die alle Pflanzen zum Überleben brauchen: Stickstoff, Phosphor und Kalium. Vor allem Stickstoff ist das Zeug, aus dem Gärtnerfantasien gemacht sind, das traurige Tomaten aufweckt und Zucchini in Größenwahnsinn verfallen lässt. Stickstoff ist in der Atmosphäre reichlich enthalten, aber die meisten Pflanzen können ihn nicht aus der Luft, sondern nur aus der Erde aufnehmen. In der Natur ist die Stickstoffquelle für Pflanzen organisches Material. Kot, Urin, tote Lebewesen. In China wurden schon vor Jahrtausenden menschliche Exkremente gesammelt und auf den Feldern verteilt. ²¹ Deutsche Bauern verwenden unter anderem Blutmehl, Fischmehl, Fleischmehl und Hornmehl als Dünger.
    Lierre Keith hatte bereits zwanzig Jahre als Veganerin hinter sich, als sie diesen Zusammenhang verstand. Erst, als Keith anfing, im eigenen Garten Gemüse anzubauen, begriff sie, dass die Ideologie, auf deren Basis sie sich schon als Teenager Milch, Eier und Honig verkniffen
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