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Im Bann des Omphalos

Im Bann des Omphalos

Titel: Im Bann des Omphalos
Autoren: E. C. Tubb
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1.
     
    Aus der Ferne sah es wie ein leuchtender Schleier aus, der ständig seine Form zu ändern schien, so daß jeder, der es betrachtete, ein anderes Bild gewann: das eines Balles, eines Käfigs, einer Perlenkette, einer Waffeltüte, eines Irrgartens und der verschiedensten Tiere. Tausend Beschreibungen für ein und dasselbe – für dieses Rätsel, für das Unbekannte.
    Je näher man ihm kam, desto rätselhafter wurde es. Einzelheiten, die sich hätten hervorheben sollen, blieben unsichtbar, und der Vordergrund war eine strahlende Masse verwickelten Leuchtens, die unerklärlich war. Den Wissenschaftlern bot es ein verwirrendes Problem; den Touristen, die nach Krait kamen, einen faszinierenden Anblick.
    »Es widerspricht allen Gesetzen des Raumes und der Zeit«, sagte der Fremdenführer. Er war auf einer der Ophidianwelten geboren, war groß, hager, hatte Schlitzaugen und seine Haut wies rudimentäre Schuppen auf. Sie war sehr kälteempfindlich, deshalb trug er trotz der Strahlenwärme dicke Kleidung. »Niemand weiß genau, was es ist«, fuhr er fort. »Keines der Schiffe, die es zu durchqueren versuchten, kehrte je zurück.«
    Mark Carodyne hob eine Braue. »Wurden sie vernichtet?«
    Der Führer zuckte die Schultern. »Wie ich bereits sagte, niemand weiß es. Die Schiffe verschwanden auf Nimmerwiedersehen, selbst ihre Wracks wurden nie gesichtet.«
    Ein Mädchen schauderte und drängte sich auf der Aussichtsplattform ein wenig näher an Carodyne. »Kommt es auf uns zu?«
    »Nein, Madame. Das Omphalos bewegt sich nicht, gerade das macht es, unter anderem, so ungewöhnlich. In bezug auf das Universum ist es stationär, es nimmt nicht an der galaktischen Strömung teil.«
    Eine Frau fragte scharf: »Besteht Gefahr für uns? Könnte es uns verschlingen wie diese Schiffe, die Sie erwähnten?«
    »Für Krait ist nichts von ihm zu befürchten, Madame«, versicherte ihr der Führer beruhigend. »Gewiß, es kommt näher, doch wir werden es in sicherer Entfernung passieren. Wenn Sie nun alle den Kopf ein wenig drehen und das Omphalos von der Seite betrachten würden, dürfte Ihnen etwas ungemein Interessantes auffallen.«
    Gehorsam folgten sie der Aufforderung, alle außer Carodyne, der keine Zeit für visuelle Tricks hatte. Er starrte statt dessen nachdenklich geradeaus auf diesen leuchtenden Schleier. Er war zu groß, ihn von hier aus als Ganzes aufzunehmen, und so studierte er ihn, indem er den Blick langsam über die Oberfläche gleiten ließ. Flüchtig verweilte er bei einem Krater – oder war es gar keiner? Dann wanderte er weiter zu einer Reihe glühender Kügelchen wie eine Perlenkette. Plötzlich tauchte ein blendender Strahl auf, vermischte sich mit einem zweiten und formte mit ihm – ja, was war es? Noch ehe er sich klar werden konnte, verschwand es bereits. Wieder vermeinte er etwas Vertrautes zu erblicken: eine Gebirgskette? Ein Strom mit Nebenflüssen? Ein Schaltkreis? Auch das löste sich auf, ehe er sich klar wurde, und machte einem Vogel mit mächtigen Schwingen, stolzem Kamm und geöffnetem Schnabel Platz, der wiederum von flimmernden Wolken und schillerndem Rauch verdrängt wurde.
    Die Farben waren zu grell und die Bilder wechselten zu schnell, als daß er ihnen etwas hätte entnehmen können. Wie ein Kaleidoskop von augenschmerzender Eindringlichkeit und hypnotischer Anziehungskraft war das Ganze.
    Das Mädchen neben ihm holte hörbar Luft. »Artelle«, flüsterte sie. »Aber das ist unmöglich!«
    Eine Frau mittleren Alters rief: »Sonhed! Mein Baby!«
    Ein älterer Mann schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen. Tränen glitzerten auf seinen Wangen. »Nein«, wisperte er. »Sie ist tot! Dieses Leid ertrage ich nicht mehr …«
    Das Mädchen umklammerte Marks Arm. »Artelle! Das Haus, in dem ich geboren wurde! Ich sah es! Und doch wurde es vor zehn Jahren zerstört, als ich noch ein Kind war!«
    »Es war nur ein Trick, den das Licht spielte«, versicherte er ihr. »Haben Sie noch nie an einem offenen Feuer gesessen und in die züngelnden Flammen geblickt? Das Auge wird durch die ständig wechselnden Perspektiven verwirrt, und der Geist versucht eine logische Deutung zu finden und greift auf das Unterbewußtsein zurück. Schauen Sie noch einmal, dann werden Sie feststellen, daß das Ganze nur eine Masse wechselnder Farben ist.«
    »Aber es war so echt!« beharrte sie. »So unsagbar echt!«
    Und echt wirkte es für all die anderen, die das sahen, wonach sie sich am meisten sehnten: ein Zuhause,
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