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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben
Autoren: Theresa Baeuerlein
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hatte, eigentlich auf einem Missverständnis beruhte. »In der Geschichte meines Lebens markierte der erste Bissen Fleisch nach 20 Jahren das Ende meiner Jugend, den Moment, als ich die Verantwortung des Erwachsenseins annahm. Es war der Moment, indem ich aufhörte, die grundlegende Gleichung des Daseins zu bekämpfen: Um ein Leben zu ermöglichen, musste ein anderes enden. In dieser Akzeptanz, mit allen darin enthaltenen Leiden und aller Trauer, liegt die Fähigkeit, einen anderen, besseren Weg zu wählen«, schreibt Keith.
    Es klingt vielleicht esoterisch, ist aber eine sehr bodenständige Wahrheit: Die Idee, dass es eine Ernährungsweise gibt, die nie mandem schadet, ja, die den Tod völlig ausklammert und nur immer wieder neues Leben schafft, ist eine Illusion. Dies gilt selbst für eine vegane Ernährungsweise, also eine, die auf alle Tierprodukte verzichtet, nicht nur Fleisch, Eier und Milch, sondern auch Honig und Leder. Selbst eine fruktarische Diät, also eine, die selbst den Schmerz gemähten Weizens in Betracht zieht, und nur erlaubt, was Pflanzen scheinbar freiwillig »geben«, ist keine Ausnahme. Obst- und Nussbäume lassen ihre Früchte nicht fallen, weil sie Menschen und Tieren ein Geschenk machen wollen. Sie tun es, um ihre Samen zu verbreiten. Das schmackthafte Fruchtfleisch dient als Lockmittel für hungrige Esser, sie sind das Mittel, Fortpflanzung der Zweck. Der Plan des Apfelbaums sieht vor, dass Tier oder Mensch seine Frucht essen und anschließend die Samen in einem nahrhaften Fäkalienhaufen an einem anderen Standort säuberlich deponieren. Sein Plan ist nicht, dass die Kerne seiner Früchte im Müll landen. Genau das passiert aber, wenn ein Mensch einen Apfel isst. Selbst wenn er die Restfrucht anschließend in den Biomüll wirft, tut er dem Apfelbaum keinen Gefallen. Oder hat schon einmal jemand einen Apfelbaum in einer Biotonne wachsen sehen?
    Wer schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, im Wald oder Garten einer Tauben- oder Maulwurfsleiche zu begegnen, weiß, wie dergleichen aussieht. So ein Kadaver ist für Bodenlebewesen, Würmer, Insekten und Bakterien ein Festmahl. Und damit auch für die Pflanzen, die in der Nähe der Tierleiche wachsen. Nicht besonders appetitlich. Aber nur, solange man aus einer anthropozentrischen Perspektive denkt. Genau das aber tun die vielen wohlmeinenden Menschen, die das Internet mit Beiträgen vollschreiben, in denen diskutiert wird, welche Lebensmittel und Kosmetika ohne Tierprodukte hergestellt werden. Sie gehen dabei mit einer bewundernswerten Gründ lichkeit vor: Alles wird infrage gestellt, von der Zitronensäure im Fertigpudding bis zu den Milchsäurebakterien im Sojajoghurt. »Sind Bakterien Tiere, die leiden, wenn wir sie essen? Oder beuten wir sie aus, wenn wir (Soja-)Joghurt essen, der ohne sie nicht entstanden wäre?«, fragt die Userin Lunamama. ²² Und die Veganerin Jessi Stafford warnt vor Seidenunterwäsche, da diese unter Ausbeutung von Seidenwürmern hergestellt würde. ²³ Mit vereinten Kräften versuchen diese Menschen, alles Tierische aus ihren Körpern zu verbannen. Und übersehen dabei die einfache Tatsache, dass das Gemüse und Getreide in ihren veganen Cur rys und Dinkelburgern ebendiesen strengen Maßstäben nie mals gerecht werden können. Dieser Logik entsprechend wäre selbst ein Salat aus Biomöhren eine Manifestation menschlicher Ausbeutung: Immerhin ist das Gemüse in der Erde gewachsen, in der hart arbeitende Bakterien geschuftet haben. Man kann den Verfasserinnen dieser Beiträge ihr Unwissen nicht wirklich vorwerfen. Aber jemand, der nicht weiß, wovon sich die Lebewesen ernähren, die er selbst verspeist, kann nicht glaubhaft für eine bestimmte Ernährungsweise eintreten. Tatsache ist: Die Nahrungskette ist nicht politisch korrekt. Sie folgt einer ebenso einfachen, wie genialen Logik: Tod und Leben sind keine Widersprüche, sie ergänzen einander. Anders gesagt: Ich mag Vegetarier sein. Mein Maiskolben ist es ganz sicher nicht.
    Mein erster Reflex, als ich anfing, das zu begreifen, war totale Abwehr. Ich wollte das nicht wissen. Ich wollte bei der Logik bleiben, die für mich intuitiv Sinn ergab – wer keine Tiere ausbeutete, vermied Schmerz auf ganzer Linie. In den USA werben vegane Produkte gerne mit der Botschaft »Cruelty-free«. Gemeint ist, dass keine Tiere für die Produktion ausgebeutet werden. Denn aus veganer Sicht werden Tiere automatisch ausgebeutet, wenn man ihre Produkte konsumiert. Es gibt
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