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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand
Autoren: Gisa Pauly
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Model! Dabei spielte es überhaupt keine Rolle, dass es sich um Mode
für Mollige und dezente Modelle für die reife Dame handelte. Sie durfte sich
mit Fug und Recht ein Mannequin nennen!
    Ach, wenn Dino das noch erlebt hätte! Aber diesen Gedanken
schüttelte Mamma Carlotta so schnell ab, wie er ihr gekommen war. Nein, von
ihrem Mann wäre ihr wohl jede Anerkennung versagt geblieben. Er hatte sie nach
ihrem dreißigsten Geburtstag nie anders als in dunkler Kleidung gesehen, mit
dunklen Strümpfen und bequemen Pantoletten. Und dass sie nach seinem Tod
abgenommen hatte und geradezu aufgeblüht war, wäre ihm wahrscheinlich nicht
recht gewesen. Seine Frau hatte sich als Witwe ihr erstes Blümchenkleid gekauft,
verzichtete seitdem auf den Haarknoten, hatte sich den ersten Friseurbesuch
ihres Lebens geleistet und sich einen Lockenstab angeschafft. Mittlerweile war
sie sogar Besitzerin eines Lippenstiftes, todschicker Schuhe, die sich Sneakers
nannten, und trug gelegentlich Hosen, die sie nach ihrer Rückkehr nach Umbrien
ganz hinten in den Schrank hängte, damit niemand sie sah. Manchmal dachte sie
sogar daran, sich eine Jeans zuzulegen. Aber wenn sie sich das traute, musste
sie wirklich vergessen, dass Dino im Himmel auf einer Wolke sitzen und
vorwurfsvoll auf sie herabblicken könnte.
    Mamma Carlotta warf Yvonne Perrette einen Blick zu, dann setzte sie
sich genauso kerzengerade hin wie sie. Nachdem sie ihren Mann rund zwanzig
Jahre gepflegt hatte, brauchte sie sich keine Schuldgefühle einzureden, wenn
sie versuchte, ihrer Witwenschaft etwas Positives abzugewinnen! Yvonne Perrette
hatte sogar behauptet, sie sei sehr hübsch mit ihren dunklen Augen und den
schwarzen Locken, die nur wenige graue Strähnen aufwiesen. Und während sie
früher übergewichtig gewesen war, wurde sie nun höchstens mollig genannt.
Mollig! Was für ein schönes deutsches Wort!
    Yvonne Perrette klatschte in die Hände. »Es wird immer besser«,
sagte sie zufrieden, und damit meinte sie zweifellos nicht nur Carolin, sondern
auch Mamma Carlotta. »Meine Kundinnen werden begeistert sein. Der Kaufwunsch
wird viel eher angeregt, wenn keine professionellen Models die Mode vorführen,
sondern Frauen wie du und ich!«
    Mamma Carlotta pflichtete ihr lebhaft bei, obwohl sie noch nie im
Leben Gast einer Modenschau gewesen war, sondern nur gelegentlich im Fernsehen
staunend beobachtet hatte, wie bedauernswert unterernährte Models Stoffkreationen
über den Laufsteg trugen, wie sie in Mamma Carlottas umbrischem Dorf höchstens
an Signora Libertini zu sehen waren. Die verfiel von Zeit zu Zeit in Depressionen
und schnitt dann die Ärmel aus ihrer Bluse oder stieg in die Hosen ihres
verstorbenen Mannes, der zu Lebzeiten gut zwei Zentner auf die Waage gebracht
hatte. Doch seit Mamma Carlotta den Sisalläufer im Modeatelier von Westerland
entlangschritt, kam sie sich wie eine Expertin in Sachen Mode vor. In ihrem
Dorf würde keiner mehr von Claudia Schiffer oder Kate Moss reden können, ohne
sich anschließend etwas über Carlotta Capellas Erfahrungen auf dem Catwalk
anhören zu müssen. Und Signora Rondinoni, die Besitzerin der kleinen
Änderungsschneiderei, würde der Vergleich ihrer winzigen Werkstatt hinter der
Küche mit dem großen Sylter Atelier nicht erspart bleiben.
    Jannes Pedersen hatte sein ohnehin geräumiges Haus geschickt noch
weiter vergrößert. Schon als er es von seinen Eltern erbte, hatte es zwei
Geschäfte darin gegeben: die Bäckerei, die seine Mutter, und den Fahrradladen,
den sein Vater geführt hatte. Nach ihrem Tod hatte Jannes die Bäckerei aufgegeben
und das Angebot des Fahrradladens erheblich erweitert. Der große Obst- und
Gemüsegarten, den seine Mutter geliebt hatte, musste diesen Maßnahmen zum Opfer
fallen.
    Der frühere Bäckerladen war zunächst einem Verwandten überlassen
worden, der dort seine Skulpturen und Bilder ausstellen durfte, aber der hatte
weichen müssen, als Yvonne Perrette bei Jannes einzog. Danach war aus dem Laden
der Verkaufsraum des Modeateliers geworden, mit zwei großen Schaufenstern,
einem dunklen, glänzenden Holzboden und hellen Wänden, die von vielen kleinen
Lampen angestrahlt wurden. Hinter dem Ladentisch öffnete sich die Tür zur
Schneiderwerkstatt, die nur gute Kunden betreten durften, um den Fortschritt
der Arbeiten an ihrem bestellten Design-Modell zu begutachten.
    Auch
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