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Flammen im Sand

Flammen im Sand

Titel: Flammen im Sand
Autoren: Gisa Pauly
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konnte.
Also stieg er jeden Morgen wieder in eine seiner geliebten Breitcordhosen und
zog sich seinen Pullunder über den Kopf.
    Erik Wolf war durch und durch uneitel. Das Einzige, mit dem er sich
am Morgen im Badezimmer Mühe gab, war sein Schnauzer. Den hatte er gern akkurat
geschnitten, in der Mitte etwas höher als an den Seiten, die in seine
Mundwinkel wachsen mussten, damit Erik sich wohlfühlte. Lucia hatte behauptet,
er trüge den Schnauzer so, damit niemand merkte, wenn er die Mundwinkel zum
Lächeln hob. Das war natürlich blanker Unsinn. Erik Wolf war schließlich kein
humorloser Mensch. Er war nur … Friese. Und ein Friese schmunzelte eben lieber,
als zu lachen. Lucia hatte das irgendwann eingesehen, nachdem sie ihn im ersten
Jahr ihrer Ehe fast täglich gefragt hatte, ob er schlecht gelaunt sei. Und oft
gerade dann, wenn er glänzender Laune gewesen war.
    Â»Ihre Schwiegermutter ist ein unglaublich aktiver Mensch«, meinte
Sören gerade und gähnte nun ebenfalls. »Anstatt sich auszuruhen, hilft sie
Carolin beim Nähen.«
    Â»Da ist sie wie Lucia«, sagte Erik leise. »Wenn die ein Stück Stoff
in die Hand bekam …« Er brach ab. Noch immer machte es ihm Schwierigkeiten, den
Namen seiner verstorbenen Frau auszusprechen.
    Sören verstand ihn trotzdem. »Ihre Frau und Ihre Schwiegermutter
sind sich sehr ähnlich.«
    Â»Finden Sie?« Erik dachte kurz nach. »Lucia war nicht so
anstrengend«, sagte er dann, obwohl er nicht sicher war, dass er recht hatte.
Lucia hatte genauso wenig Stille ertragen können wie ihre Mutter, und auch
Felix, der ganz nach seinen italienischen Vorfahren kam, brauchte stets Lärm um
sich herum. Lucia hatte genauso viel geredet, so viel gelacht und gesungen, so
schnell Kontakte geknüpft wie ihre Mutter und so laut geschimpft wie sie, wenn
ihr etwas nicht gefiel. Aber Lucia war seine Frau gewesen, er hatte sich für
sie entschieden und sie geliebt. Also war alles richtig gewesen, was sie tat.
Und da Felix so war wie seine Mutter, war auch das in Ordnung, obwohl Erik es
sehr zu schätzen wusste, dass Carolin genauso ruhig und wortkarg war wie er
selbst. Seine Schwiegermutter jedoch …
    Er schüttelte den Kopf und stand auf. »Kommen Sie! Vielleicht ist
die Vorspeise schon fertig«, unterbrach er seine eigenen Gedanken.
    Sören sprang erfreut auf. »Meinen Sie?« Sein rundes Gesicht, das
Erik stets an einen überreifen Apfel erinnerte, glänzte. »Wissen Sie, welche
Antipasti es geben wird?«
    Â»Sie hat gestern Artischocken eingekauft«, sagte Erik, während er
seine Jacke überzog. »Ich denke, sie wird sie füllen.«
    Â»Womit?«, fragte Sören höchst interessiert.
    Â»Meistens nimmt sie Orangen, Pinienkerne und …« Weiter kam Erik
nicht. Sein Telefon schrillte. Er warf Sören einen Blick zu, der sagen sollte:
Hoffentlich kommt uns nichts dazwischen, dann nahm er ab und meldete sich. Kurz
darauf wusste er, dass ihnen etwas dazwischengekommen war. Etwas sehr
Merkwürdiges …
    Mamma Carlotta stand neben ihrem Fahrrad und überlegte, ob
sie wirklich aufsteigen sollte. Der Wind fuhr ihr mit einer Kraft entgegen, die
ihr Angst machte. Würde sie dagegen ankommen? In ihrem Dorf hätte man längst
von einem Sturm gesprochen, alle Fenster verriegelt und die Türen nur noch
geöffnet, um den vergessenen Blumentopf hereinzuholen, der Anstalten machte,
den Berg hinabzurollen. Auf Sylt hingegen ging trotzdem alles seinen Gang. Der
Wind gehörte zur Insel, und wenn ein Sturm daraus wurde, dann traf man eben
alle nötigen Maßnahmen, wartete ab und sorgte dafür, dass das Leben weiterging.
    So hatte Erik es ihr erklärt. »Fast jeden Winter gibt es einen
Sturm. Hoffen wir, dass keine Sturmflut daraus wird.«
    Mamma Carlotta sah in den Himmel. War das schon ein Sturm? Oder nur
ein kräftiger Wind? Sie lauschte auf die Geräusche des Meeres, dessen Rauschen
immer in der Luft lag. War aus dem Brausen schon das Donnern der Brandung geworden,
mit der eine Sturmflut begann?
    Auf dem Hinweg hatte sie ihn genossen, den Wind, weil er sie von
Wenningstedt nach Westerland getrieben hatte, ohne dass sie sich anstrengen
musste, jetzt aber fuhr er ihr entgegen. Als sie aufs Fahrrad stieg, musste sie
dafür sorgen, dass sie zügig in Fahrt kam, damit sie nicht umkippte.
    Sie beugte sich tief über den Lenker und sah weder rechts
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