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Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
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Der verrückte Planet
     
     
MURRAY LEINSTER
    (THE MAD PLANET)
     
     
    Seit etwa zwanzig Jahren, also in seinem ganzen Leben, hatte Burl noch keinen Gedanken an die Frage verschwendet, was wohl sein Großvater von dieser Umgebung gehalten hatte. Sein Großvater war irgendwann unter unglücklichen Umständen ums Leben gekommen, und alles, woran Burl sich erinnern konnte, waren seine immer leiser werdenden Schreie gewesen – und das verzweifelte Bemühen seiner Mutter, ihren Jungen, so schnell sie konnte, an einen anderen Ort zu bringen.
    Seither hatte Burl nur noch sehr selten an den alten Herrn gedacht. Was sein Urgroßvater von dieser Gegend gehalten hatte, kam ihm nicht einmal ansatzweise in den Sinn, und so war es natürlich keine Frage, daß er an seine übrigen Vorfahren – etwa jenen Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater von 1920 – nicht den allergeringsten Gedanken verschwendete.
    Momentan krabbelte Burl nämlich vorsichtig über einen bräunlichen Pilzteppich auf einen Strom zu, den er unter der allgemeinen Bezeichnung »Wasser« kannte. Dieser Strom war das einzige Wasser, das weit und breit existierte. Hoch über seinem Kopf ragten gewaltige, drei Mann hohe Pilze in die Luft und verbargen den grauen Himmel vor seinen Blicken. Dort, wo die Stengel aus dem Boden kamen, hatten sich kleinere Gewächse angesiedelt: Parasiten, die sich von Gewächsen ernährten, die einst selbst Parasiten gewesen waren.
    Burl war ein schlanker, junger Mann. Er trug einen um die Hüften geschlungenen Lendenschurz, der aus dem Schwingengewebe einer Riesenmotte bestand. Mitglieder seines Stammes hatten sie kurz nach dem Ausschlüpfen aus ihrem Kokon erschlagen. Burls Haut war blaß, sie zeigte nicht die geringste Einwirkung von Sonnenlicht. Burl hatte die Sonne in seinem ganzen Leben noch nie gesehen, aber das lag nicht etwa daran, daß die großen Gewächse keine Blicke nach oben durchließen, sondern an der ununterbrochenen Wolkendecke, die stets über den Himmel gebreitet lag. Riß sie einmal irgendwo auf, gab es trotzdem keine Möglichkeit, die Umrisse des feurigen Balls zu erkennen, nur der Himmel wurde an der betreffenden Stelle etwas heller. Die Landschaft, durch die Burl sich bewegte, bestand hauptsächlich aus phantastischen Moosen und Farnen, ungeschlachten Pilzgewächsen, gewaltigen Schachtelhalmen und Hefepilzen.
    Nachdem er sich durch den riesigen Pilzwald geschlagen hatte, berührte seine Schulter einen cremefarbenen Stengel, und der Pilz zuckte zusammen. Im gleichen Augenblick stieß der regenschirmähnliche Pilzkopf ein feines, beinahe gewichtsloses Pulver aus, das wie Schnee auf Burl herabregnete. Momentan war die Jahreszeit, in der die Giftpilze ihre Sporen auf die Reise schickten. Schon die geringste Berührung genügte, um sie zu aktivieren.
    Burl blieb stehen und schüttelte die Sporen aus seinem Haar. Daß sie aus tödlichem Gift bestanden, wußte er.
    Auf einen Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts hätte er komisch gewirkt. Seine Haut war glatt wie die eines Kindes, und er war auch nicht sonderlich behaart. Sogar Burls Haupthaar war weich wie Flaum. Sein Brustkorb war ausgeprägter als der seiner fernen Vorfahren, und was seine Ohren anbetraf, so schienen sie dazu in der Lage zu sein, sich unabhängig voneinander bewegen und Geräusche aus allen nur erdenklichen Richtungen auffangen zu können. Seine Augen – sie waren groß und blau – hatten Pupillen, die eine extreme Größe annehmen konnten und ihm somit erlaubten, auch bei fast absoluter Dunkelheit zu sehen.
    Burl war das Produkt eines seit dreißigtausend Jahren andauernden Versuchs der Menschheit, sich an jene Veränderung anzupassen, die in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts begonnen hatte.
    Ungefähr zu diesem Zeitpunkt hatte die menschliche Zivilisation ihren Höhepunkt erreicht. Man hatte sorgenfrei leben können. Die Menschen waren mit sich selbst ins Reine gekommen, und in bezug auf Rechte, Bildung und Entspannung hatte jeder die gleichen Möglichkeiten besessen. Der größte Teil der zu erledigenden Arbeiten wurde von Maschinen getan, und es bedurfte nur weniger Menschen, um sie zu überwachen. Niemand brauchte mehr Hunger zu leiden, jeder hatte eine solide Ausbildung genossen, und alles hatte darauf hingedeutet, daß man von nun an bis in alle Ewigkeit in einer toleranten Gemeinschaft Studien und Zerstreuungen, Illusionen und Wahrheiten würde nachgehen können. Der Friede, die Stille, die Zurückgezogenheit und die Freiheit waren zum
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