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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
Autoren: Doris Niespor
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Magie und Verlust
     
    Glas splitterte. „Verdammt!“, schimpfte Stu. Eigentlich hätte er leise auftauchen sollen, so wie Chris, der in diesem Moment lautlos aus dem Nichts erschien. Wütend schob Stu die Reste der Glasnuckelflasche, auf der er sich versehentlich materialisiert hatte, mit dem Fuß zur Seite. Sie klirrten gegen die Fußleiste. „Pst!“, zischte Chris. „Du weckst noch die Babys auf!“ Leise fluchend zog Stu kleine Scherben aus den weichen Ledersohlen seiner Schuhe.
    Chris trug einen waldgrünen Anzug, seine eng anliegenden Hosen mündeten in spitze Lederstiefel. Er war klein und schlank, aber breitschultrig. Die langen blonden Haare hatte er zu einem Zopf zusammengebunden; wohl damit sie nicht in dem pfeilgefüllten Köcher hängen blieben, der quer über seinen Rücken geschnallt war. Chris’ dunkle Augen bildeten einen merkwürdigen Gegensatz zu seinen hellen Haaren. Der ganze Name des Mannes war Chris Hard, und er war einige hundert Jahre älter, als er aussah.
    Im Gegensatz zu Chris schlichter Waldläufermontur schien Stus Kleidung aus einem wirren Traum zu stammen. Gewandet wie ein Hofnarr, sogar mit schreiend bunter Samtmütze, klingelten bei jedem Schritt die winzigen Glöckchen, die auch den Rand seiner altertümlichen Schnabelschuhe zierten. Selbst das Gesicht mit dem breiten Mund und den hervorquellenden Augen hatte etwas Albernes.
    Noch immer verärgert fegte Stu eine vergessene Scherbe von seiner Sohle. Die Stimme des Narren klang seltsam laut in der nächtlichen Stille: „Ich wusste nicht, dass du auch in diesem Krankenhaus bist; wie viele haben wir hier?“
    Chris schnaubte verächtlich. „Man kann sich seine Jobs eben nicht aussuchen, ich arbeite auch lieber mit anderen. Ist doch gut, dass wir uns nicht dauernd über den Weg laufen, seit du in der Feste Minuit wohnst.“ Chris blickte auf die kleinen Schilder an den Babybettchen. „Hier in Dornum sind es zwei Kinder. Welches ist dein Auftrag?“
    „Eine gewisse Swantje Ricks“, erwiderte Stu leise und zeigte auf ein Neugeborenes; die Glöckchen an seinen schuldbewusst hängenden Schultern klimperten verhalten. „Und wen hast du?“, fragte er, ohne Chris noch einmal direkt anzusehen.
    „Julie Denes“, gab Chris kurz angebunden zurück. „Lass uns endlich anfangen, ich will hier nicht die ganze Nacht herumhängen.“
    Die beiden ungleichen Männer stellten sich je an eines der Kinderbettchen und begannen, in murmelndem Ton etwas aufzusagen. Grünes Licht quoll aus den beschwörend ausgestreckten Händen und legte sich sanft über die kleinen Gestalten. In dem rechten Bettchen, an dem Stu stand, lag Swantje Ricks, die ein Leben in Wohlstand auf Schloss Dornum erwartete. In dem anderen Bettchen, ganz links an der Wand, lag Julie Denes. Einen Moment lang verweilte Chris gerührter Blick auf dem kleinen Gesicht und den geballten Fäustchen. Das Baby war noch zu klein, um zu begreifen, dass es gerade eben für immer seine Mutter verloren hatte.
    Eine unförmige Gestalt zwängte sich ächzend durch die halb geöffnete Tür der Neugeborenenstation. Lady Ricks war auf dem Weg zu ihrer Tochter Swantje. Der frisch gebackenen Mutter fielen die beiden Männer und das grüne Leuchten zunächst gar nicht auf, so müde war sie von den Anstrengungen der Geburt. Ihre ehemalige Bettnachbarin Frau Denes, die Mutter der kleinen Julie, war in dieser Nacht unter der Niederkunft gestorben. Lady Ricks hatte sich unablässig beschwert, denn durch den Notfall hatte man sie nicht wie sonst mit Aufmerksamkeit überhäuft. Selbst die angekündigte große Spende hatte keine Wirkung gezeigt, Lady Ricks hatte tatsächlich mit einer Hebamme und einer Ärztin auskommen müssen.
    Erst als sie weiter in das Zimmer hinein watschelte und zum Bettchen ihrer Tochter sah, bemerkte sie das grüne Leuchten. Eine mannshohe Gestalt mit erhobenen Händen war in dem Licht zu sehen! Leicht geblendet wandte Lady Ricks den Blick kurz zur Seite – und sah: Über einem anderen Kinderbett war es genau das Gleiche… Doch als sie wieder zu ihrer Tochter schaute, war das Licht verschwunden wie ein Spuk. Hektisch blickte Lady Ricks nach links - auch hier kein Licht mehr. In der Luft über beiden Kindern war nichts mehr zu sehen. Von plötzlicher Sorge erfasst, lief Lady Ricks an das Bett ihrer Tochter und nahm sie auf den Arm. Ihr schien nichts zu fehlen. Dieser Eindruck trog auch nicht, tatsächlich war sogar etwas zu viel; das bemerkte Swantjes Mutter aber erst beim
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