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Finale Mosel

Finale Mosel

Titel: Finale Mosel
Autoren: Mischa Martini
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seine Schuhe in Pfützen patschten und er bis zum Rand der Nordtribüne auf die aufgeweichte Wiese auswich. Der schwarze Punkt wurde größer und erwies sich als ein von dunklem Gewölbe begrenzter Stollen, der in den Hang führte. Der helle Punkt musste demnach ein zweiter Tunnel sein, in dem Licht brannte. Vor ihm waren Stimmen zu hören.
    »Aber wir mussten doch Erste Hilfe leisten, und außerdem bin ich der Intendant und künstlerische Leiter«, sagte eine empörte Männerstimme.
    »Das ist mir so was von scheißegal, wer Sie sind, Sie haben polizeilichen Anweisungen Folge zu leisten.« Das war ohne Zweifel Gabis Stimme. Und nun sah Walde seine Kollegin, wie sie, gekleidet in einen weißen Overall mit Kapuze, aus dem beleuchteten Gewölbegang heraustrat. Sie hielt einen untersetzten Mann, dem die nassen Haare am Kopf klebten, am Arm gepackt und stieß ihn mit einem Schubs in Richtung der dunklen Arena. Walde erinnerte sich, das Foto des Mannes schon in der Zeitung gesehen zu haben. Es war Franz Kehlheim, der Leiter der Antikenfestspiele. Sein Smoking war nass und an den Knien zeigten sich breite Lehmspuren.
    »Diesen Ton muss ich mir nicht bieten lassen, das hat ein Nachspiel.« Der Mann sprach mit leicht wienerischem Akzent.
    »Wir sind nicht mehr in der Oper, und das ist auch kein Spiel, Herr Kehlheim. Hier gebe ich den Ton an!«
    Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, rauschte der Mann mit eingezogenem Kopf an Walde vorbei.
    »Die haben hier schon den ganzen Acker durchpflügt. Da wird die Technik kaum mehr etwas finden können«, schimpfte Gabi, als sie ihren Kollegen kommen sah.
    »Dir ist doch klar, dass der sich postwendend bei Stiermann über dich auslassen wird.« Walde wies mit dem Daumen nach hinten, während er sich unter einem weiß-rot gestreiften Absperrband hindurchbückte, das Gabi nach oben hielt.
    »Ich versuche nur, meine Arbeit zu machen.« Sie reichte ihm dünne Handschuhe. »Zwei, drei Leute, die Erste Hilfe leisten wollen, lasse ich mir ja noch gefallen, aber nicht eine Horde von Gaffern und Paparazzi.«
    Walde folgte ihr durch den Gewölbegang auf das grelle Licht am anderen Ende zu. Während er beobachtete, wie der Papieranzug im Gegenlicht seine Kollegin wie eine Erscheinung aus dem Jenseits aufleuchten ließ, brachte ihn ein dicker Tropfen, der genau auf seinem Nacken landete und von dort seinen Rücken hinunterlief, in die Wirklichkeit zurück.
    Gabi war ein paar Meter hinter dem Ende des Tunnels stehen geblieben. Sie rollte sich die Hosenbeine über den sehnigen Waden hoch. »Von hier ist er wahrscheinlich runtergestürzt.«
    Walde trat neben sie und schaute nach unten in den Graben, in dem ein paar Leute, bekleidet mit Schutzanzügen und Gummistiefeln, zugange waren.
    »Hat die Kriminaltechnik schon..?« Walde trat einen Schritt zurück.
    »Ja«, Gabi winkte ab. »Hier war gar nichts mehr zu machen, wurde alles zertrampelt. Und da unten hat der Regen den Rest weggespült.«
    Walde beugte sich wieder nach vorn.
    »Magst du?« Sie hielt ihm zwei verschiedenfarbig eingepackte Lutschbonbons hin.
    »Nein, danke.«
    »Nimm trotzdem eins, am besten zwei!«
    Jetzt erst verstand Walde, dass sie den Wein in seinem Atem gerochen haben musste. Das Bonbon schmeckte scharf nach Menthol und Eukalyptus und löste bei ihm Müdigkeit und eine Sehnsucht nach der Geborgenheit der Wohnung mit Doris und Annika aus.
    Unten in der Grube, die im hinteren Teil mit einer einfachen Holzkonstruktion überdacht war, bewegten sich weiß gekleidete Gestalten über den dunklen Grund, der aus schwarzer Folie bestand, mit der auch das Opfer abgedeckt schien. Jedenfalls glaubte Walde, die Konturen eines Körpers auszumachen.
    Aus der Grube war das Klingeln eines Handys zu hören. Es dauerte, bis der Angerufene das Telefon aus der Kleidung unter dem Schutzanzug gefischt hatte.
    »Tiefenbach soll mehr oder weniger mit dem Kopf nach unten gefunden worden sein«, sagte Gabi, »und bei den Rettungsversuchen wurde seine Lage verändert.«
    »Kopfunter?«
    »Er soll mit dem Gesicht im Wasser gelegen haben.«
    »Da war er schon tot?«
    Gabi nickte. »Es gab Wiederbelebungsversuche und ein Notarzt war auch gleich da …«
    »Und dabei wurde ganze Arbeit geleistet.«
    Walde zuckte zusammen, als er Sattlers Stimme hinter sich hörte. Er hatte das Herannahen des Leiters der Kriminaltechnik nicht bemerkt.
    »Vielleicht ist noch was übrig geblieben«, sagte Gabi gelassen.
    Walde traf ein Tropfen an derselben Stelle wie vorhin. Er
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