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Finale Mosel

Finale Mosel

Titel: Finale Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Feuchtigkeit im Gewölbe braunrot gefärbt hatte.
    Angenehm kühl hier drin, dachte er. Er behielt den Mantel an und genoss die leichte Zugluft, die aus dem Inneren wehte. Hertha ließ sich auf dem Stuhl nieder, nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und beobachtete, wie Tiefenbach die Thermoskanne aufschraubte.
    »Immer noch ungesüßte Kamille?«
    Tiefenbach nickte und goss den Tee in den Becher, der als Verschluss diente. Vor jeder Premiere kam er sich wie ein Anfänger vor, und heute würde es die Hölle werden.
    Sie schaute zu ihm empor. »René, ich bin so froh, wieder mit dir … na, dass du wieder da bist.«
    Das Gefühl drohte ihn zu überwältigen. Er legte seine Hand an ihr Gesicht. Als sie danach griff, sie sanft drückte und an ihre Lippen führte, beugte er sich zu ihr hinunter und umarmte sie. Hertha war eine der wenigen, die ihn in seiner dunklen Zeit angerufen hatten. Von da an hatten sie sich, wann immer sie es einrichten konnten, heimlich getroffen. Und eine bessere Elektra als sie war kaum zu finden. Nicht nur in Europa.
    »Deine Armbanduhr ziehst du aber nachher aus.« Er versuchte, seine Sehnsucht nach ihr in den Griff zu bekommen.
    »Wenn du magst, trag’ ich sie für dich.«
    »Das wäre ein gefundenes Fressen für die Fotografen«, lachte René.
    »Von den zehn akkreditierten haben höchstens drei vorher schon mal eine Oper gesehen.«
    »Interessieren die sich immer noch für die alten Geschichten?« Das schien die Gelegenheit für Markus zu sein, der bisher nur dabeigestanden hatte.
    Als seine Frage unbeantwortet blieb, fuhr er fort: »Das Amphitheater ist tückisch, und die Entfernung von der Bühne zu den Rängen ist groß, da müssen die Töne vorher angesungen werden, kurz bevor das Orchester einsetzt.«
    Tiefenbach nickte milde. Wusste dieser Wichtigtuer wirklich nicht, wie oft er in Salzburg, Verona, Bregenz, auf der Waldbühne in Berlin oder in Orange gesungen hatte?
    Markus hätte ihm genauso gut erklären können, wie man einen Schuh zubindet. Wann ließ dieser lästige Möchtegern sie endlich allein? Hertha war erst gestern eingetroffen, sie hatten bis spätabends geprobt und den heutigen Nachmittag noch anhängen müssen. Tiefenbach wäre gerne noch mit ihr allein gewesen. Und in ein paar Stunden war Premiere. Der Saum des Mantels war mit Lehm beschmutzt. Er zog ihn aus und warf ihn über ein Seil, das den Gang durch den Tunnel versperrte. Auf der anderen Seite des Hügels waren Archäologiestudenten eines internationalen Sommerkurses am Werk gewesen. Angeblich brauchte man in dieser Stadt nur die Schuhspitze in den Boden zu rammen und schon stieß man auf römische Relikte.
    Tiefenbach setzte einen Fuß auf eine Ritze im Mauerwerk zwischen den flachen Ziegeln und streifte einen der Knieschoner ab. Sein Hemd spannte am Rücken. Als seine Hand nach hinten tastete, fühlte er, dass es komplett durchgeschwitzt war. Auch an den Schultern und über der Brust hatte es sich dunkel gefärbt.
    Es blitzte. Er zählte vierzehn Sekunden, es donnerte.
    »Nein.« Hertha stand auf. »Das hat uns noch gefehlt.«
    »Das zieht vorüber.« Markus trat aus dem Gang ins Freie. Auf der gegenüberliegenden Seite öffneten sich Schirme über einer Besuchergruppe, die sich um einen Gästeführer scharte. Markus schaute zum Himmel, an dem sich die Wolken bedrohlich auftürmten. »Das ist nur ein Schauer, bis heute Abend ist das …« Er brach ab. Seine beiden Kollegen hatten die Gelegenheit genutzt, sich in Richtung Garderoben davonzustehlen.
    *
    Walde schaute sich auf dem Parkplatz um, bevor er die Heckklappe öffnete. Wie immer sprang der Malamute heraus und lief gleich los, blieb nach ein paar Metern stehen und senkte die Schnauze tief über den Boden. Nebenan kroch hinter der Leitplanke ein Sattelschlepper schwerfällig brummend die Straße Richtung Eifel hoch, dicht gefolgt von einer langen Reihe von Pkw. Doris hatte einen Fuß auf den Vorderreifen gestellt und schnürte ihre Schuhe zu. Sie hatten bis zum Spätnachmittag gewartet. Doch das Thermometer fiel nicht unter dreißig Grad, und so hatten sie entschieden, statt in der prallen Sonne am Moselufer im Stadtwald zu laufen.
    »Quintus! Hierher!« Walde brauchte nicht laut zu rufen, der Hund wendete, kam zurück und schoss an ihm vorbei.
    »Quintus!«
    Quintus stürmte zurück. Diesmal konnte Walde ihn am Halsband packen und die Leine einhaken.
    Als der Hund nach den ersten Metern sein Geschäft erledigt hatte, passte er sich auf dem leicht
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