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Finale Mosel

Finale Mosel

Titel: Finale Mosel
Autoren: Mischa Martini
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ansteigenden Waldweg Waldes Lauftempo an. Vom Verkehrslärm war bald nichts mehr zu hören. Im Wald war es eigentümlich still, kein Vogel zwitscherte, es gab nicht einmal ein Rascheln im Laub. Ein plötzlicher Donner ließ Walde zusammenzucken.
    »Allzu weit sollten wir nicht mehr laufen«, sagte er, bemüht, nicht zu kurzatmig zu klingen.
    »Das Gewitter ist doch noch weit weg.« Doris war erstaunlich fit, trotz ihrer Schwangerschaft. Bald würde sie ihr zweites Kind bekommen. Annika, ihre gemeinsame Tochter, war knapp vier. Über eine Heirat hatten Walde und Doris noch nie gesprochen.
    Wenig später verdunkelte sich der Himmel und schon prasselten dicke Tropfen wie ein schneller Trommelwirbel auf die Blätter der Buchen. Jetzt spürten sie den warmen Regen. Wieder donnerte es heftig.
    »Ich glaube, ich bleibe hier.« Walde deutete auf eine Schutzhütte, zu der eine in den Hang gegrabene und mit Rundhölzern befestigte Treppe führte.
    »Das waren doch erst höchstens zwei Kilometer!«, maulte Doris.
    »Zurück sind es zusammen vier. Ich warte auf dich.«
    »Aber ich komme gar nicht mehr hierher, das ist eine Rundstrecke.«
    »Dann laufe ich langsam mit Quintus zurück und warte im Auto.«
    »Und ich soll allein und schutzlos weiter, und wenn jemand mich überfällt?«
    »Du hast doch kein Geld dabei und den Autoschlüssel hab’ ich auch.«
    »Noch nie was von sexueller Belästigung gehört?«
    »Dir passiert doch nix!«
    »Danke, du meinst also, mit meinem dicken Bauch würde ich nicht mehr auf Triebverbrecher wirken.«
    Walde lachte.
    »Du bist ja wirklich ein durch und durch verantwortungsvoller Vater und noch dazu ein ignoranter Polizist.«
    »Ich lache über das Wort Triebverbrecher, das hab’ ich schon lange nicht mehr gehört.«
    »Wenn einer über mich herfällt, ist es mir total egal, wie er genannt wird.«
    »Nee, doch nicht bei dem Wetter.« Walde hielt die Handfläche in den Regen.
    »Du spinnst, echt!«
    »Okay, und deshalb komme ich ja auch weiter mit.« Hatte Doris seine Worte für bare Münze genommen? So ganz sicher war er sich dessen nicht.
    Der Weg wurde schmäler und führte durch ein Tannenwäldchen bergab. Quintus wurde schneller. Walde musste auf die Wurzeln achten, die als glitschige Stolperfallen quer über den Weg verliefen. Er stoppte und ließ Quintus von der Leine.
    Oben in den Wipfeln rauschte der Wind. Vor vielen Jahren hatte Walde beim Sturm Wiebke erleben müssen, wie unglaublich schnell auch mächtige Bäume umfallen konnten. Der Regen nahm noch zu. Dicke Tropfen prasselten auf seine Kappe, rannen am Schirm vor seinem Gesicht herunter.
    Er schaute zu Doris, die mit gesenktem Kopf und zu Schlitzen verengten Augen neben ihm lief. Als sie seinen Blick bemerkte, schickte sie ihm ein Lächeln, das ihren ganzen Fatalismus ausdrückte.
    Die Tropfen fielen so dicht, dass Walde darüber nachsann, ob dazwischen überhaupt noch genügend Luft zum Atmen blieb. Blitz und Donner folgten nun in geringen Abständen. Das Zentrum des Unwetters schien sich direkt über ihnen zu befinden. Statt wie bisher vorzulaufen, hielt sich Quintus nun in der Mitte zwischen Walde und Doris. Ob unten im Tal die Geburtstagsfeier eines Kindergartenfreundes, die Annika besuchte, ins Wasser fiel?
    Kleine Rinnsale liefen über den Waldboden. An einem steilen Wegstück schoss das Wasser durch eine Rinne, staute sich weiter unten hinter aufgeschichteten Stämmen und strömte über den Weg. Ausweichen war nicht möglich, und so patschten sie mit den ohnehin nassen Schuhen durch den lehmgelben Bach.
    Hinter dem Wildschweingehege ließ der Regen nach. Es ging nun über einen schmalen Pfad, auf den sich Disteln und Brennnesseln hinunterbogen und ihre nackten Beine streiften. Die Nässe der Pflanzen milderte ihre brennende Wirkung.
    Endlich erreichten sie den Parkplatz. Walde öffnete die Heckklappe des Wagens. Der Hund sprang pitschnass hinten in den Wagen und ließ sich auf den Bauch fallen. Wasser aus seinem Fell sammelte sich in den Rillen der Bodenmatte.
    Doris startete den Motor, sobald Walde neben ihr eingestiegen war. Sein Laufshirt klebte fest an der Haut. Er zupfte es von der Brust und atmete tief durch. Die triefende Kappe warf er nach hinten auf den Sitz. Er spürte den Aufprall dicker Tropfen. Zuerst schaute er nach oben, das Sonnendach war geschlossen, dann nach hinten. Quintus war aufgestanden und schüttelte sich ausgiebig, ein Schwall Tropfen aus seinem dicken Fell landete auf der Heckscheibe und durch das
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