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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt
Autoren: Oskar Feifar
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    Mit dem Winter ist das so eine
Sache. Manche Menschen lieben die kalte Jahreszeit, manche nicht. Ich glaube,
das richtet sich in erster Linie danach, wo du bist. Weil in den Bergen ist der
Winter wahrscheinlich schöner als irgendwo im Flachland. Die verschneiten
Gipfel rundum, das Skifahren und so, das macht so einen Winter gefühlsmäßig
kürzer und damit leichter erträglich. Wenn du allerdings mit dem Wintersport
nicht wirklich etwas am Hut hast, ist der Winter einfach nur kalt. Seien wir
uns einmal ehrlich. Kein Mensch braucht Schnee, wenn er keinen Wintersport
treibt. Wozu auch? Wegen der schönen Optik, wenn alles weiß ist? Die hat sich
nach ein paar Tagen abgenutzt. Im Gegensatz zur Kälte. Die bleibt. Bei anderen
Jahreszeiten ist es egal, ob du Sport treibst oder nicht. Nimm zum Beispiel den
Frühling her. Auf den freut sich fast jeder. Aber wie dem auch sei. Im
niederösterreichischen Weinviertel gibt es jedenfalls keine Berge, und
Skifahren kannst du dort auch nicht wirklich. Höchstens Langlaufen. Die
Landschaft ist relativ flach und mancherorts leicht hügelig. Weit und breit
keine Skipisten. Da musst du schon ein schönes Stück weit fahren, bis du zu
einem Skigebiet kommst. Rund um den Ort Tratschen gab es damals freilich auch
nichts, das den Winter hätte attraktiv machen können. Da blieb nicht viel übrig
von der sommerlichen Idylle, wenn die unzähligen Kirschbäume entlang der
Landstraßen sich in blattlose hölzerne Gerippe verwandelten, und die Felder
ringsherum anstelle von Mais und Sonnenblumen nur noch Flächen brauner Erde
waren. Ehrlich gesagt erschien die Gegend dann ziemlich trostlos. Und es gab viel
Gegend in dieser Gegend. Von daher natürlich auch viel Platz für
Trostlosigkeit. Das ist einem damals, im Jahr 1971, vielleicht noch viel
schlimmer vorgekommen als heutzutage. Weil damals ist Tratschen, bedingt durch
seine Nähe zum Eisernen Vorhang, fast so etwas wie das Ende der Welt gewesen.
Die Krähen unterstrichen den trostlosen Eindruck. Von den Viechern gab es so
viele, dass du an manchen Stellen anstatt des Erdbodens nur große schwarze,
sich bewegende Flecken sehen konntest. Wie in diesem Hitchcock-Film. Auch auf
den Kirschbaumgerippen saßen sie in rauen Mengen, krähten vor sich hin und
leisteten ihren Beitrag zur Atmosphäre der Einsamkeit. Man könnte auch sagen,
durch die Vögel wurde alles ein bisschen düsterer. Menschen hast du im Winter
nicht mehr viele auf den Straßen gesehen. Es war halt ein Gebiet, wo die Leute
hauptsächlich von der Landwirtschaft lebten. Und was der Bauer im Winter macht,
wissen die wenigsten. Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht. Damals, als Kind,
habe ich darüber nicht nachgedacht und heute ist es mir egal. Irgendwas werden
sie schon tun, die Bauern. Damals sind sie im Winter jedenfalls so gut wie
unsichtbar geblieben. Genau wie der Straßenverkehr. Der fand in der kalten
Jahreszeit nämlich auch so gut wie gar nicht statt. Nur alle heiligen Zeiten
ist einmal ein Auto durch Tratschen gekommen. Dazu musst du allerdings wissen,
dass es damals noch nicht ganz so viele Automobile gab. Vielleicht, weil es
sich die Leute besser überlegt haben, ob sie für ein Auto einen Kredit aufnehmen
wollten. Vielleicht aber auch deshalb, weil es noch nicht gang und gebe war,
dass eine Familie zwei oder mehr Autos hatte. Heutzutage ist es kein Thema
mehr, dass jedes Familienmitglied sein eigenes Vehikel haben muss.
Wahrscheinlich, weil das Leasing erfunden wurde. Das ist wirklich eine ganz
tolle Sache. Da kann sich jeder ein Auto kaufen, der glaubt eines zu brauchen.
Bei vielen dieser Firmen musst du noch nicht einmal eine Anzahlung machen. Das
ist schon eine wunderbare Errungenschaft, gar keine Frage. Am besten finde ich
allerdings, dass du trotz Leasing keine Schulden hast. Zumindest behaupten
Leute, die Leasingverträge haben, oft, dass sie keine Schulden haben. Wieso das
so ist, kann ich allerdings nicht erklären. Vielleicht liegt es daran, dass
viele irgendwann ihre Raten nicht mehr zahlen können. Wer weiß? Überhaupt hat
sich die Einstellung zum lieben Geld im Laufe der Jahre offensichtlich stark
verändert. Während damals nur die in Urlaub gefahren sind, die es sich auch
tatsächlich leisten konnten, fahren heute so ziemlich alle. Angeblich soll es
sogar Menschen geben, die Kredite aufnehmen, um in der Weltgeschichte
herumfliegen zu können oder einen Skiurlaub zu machen. Heute denkt sich auch
keiner was, wenn er sein Konto um drei
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