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Hotel Pastis

Hotel Pastis

Titel: Hotel Pastis
Autoren: Peter Mayle
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    D as Ärgerliche an all den Scheidungen«, meinte Ernest und stellte dabei das Teetablett auf den Umzugskarton, »ist die Tatsache, daß man sich wieder neu einrichten muß. Sehen Sie sich das hier an. So etwas finden wir nie wieder. Und für Sie — die reinste Verschwendung.«
    Simon Shaw blickte auf und sah zu, wie einer der Möbelpacker den Hockney in Luftpolsterfolie einschlug. Als der Mann sich bückte, trat das traditionelle Merkmal des britischen Arbeiters zutage, denn zwischen seinem T-Shirt und der dreckstarrenden, zu tief sitzenden Jeans war der Spalt zwischen den Hinterbacken zu sehen. Ernest rümpfte die Nase und begab sich wieder in die Küche, wobei er sich an Stapeln teurer Einrichtungsstücke vorbeischlängelte, die für das neue Heim der ehemaligen Mrs. Shaw, ein Schmuckkästchen in der Eaton Mews South, bestimmt waren.
    Simon nippte an seinem Tee, einer Mischung aus Lapsang Souchong und Earl Grey, die Ernest in einem wahren Ritual zusammenzubrauen pflegte, und betrachtete seine Umgebung.
    Das beste Haus von ganz London, so hatte jedermann gesagt — geräumig, elegant und nahezu abgeschieden am Ende eines ohnehin ruhigen Platzes in Kensington. Caroline hatte drei Jahre und Unsummen von Geld für die Einrichtung aufgewendet, bis das Haus schließlich jenes Stadium manierierter Perfektion erreicht hatte, in dem die Unordnung eines normalen Alltagslebens undenkbar erschien. Mit Lappen aufgetragene spezielle Anstrichstoffe, die den Decken und Wänden einen gealterten Effekt verliehen; wertvolle Seidenvorhänge, die über den Boden wallten; offene Kamine aus dem 18.Jahrhundert, die extra aus Frankreich herübergebracht worden waren; handbestickte Kissen. Kurz, ein Haus wie aus einem Hochglanzmagazin.
    Carolines Freundinnen — diese dürren, todschicken Freundinnen, die sich ausschließlich von Salat und einem gelegentlichen verruchten Glas trockenen Weißweins ernährten — hatten angesichts des Hauses staunend ihre Ahs und Ohs gehaucht. Caroline und ihr Team von Innenarchitekten waren nicht mehr zu bremsen gewesen. Doch Simon war sich immer wie ein schmuddeliger Eindringling vorgekommen, der in seinem holzvertäfelten Arbeitszimmer nur heimlich rauchen konnte, weil sie Zigarrengeruch im Wohnzimmer nicht ausstehen konnte oder aber irgendein gerissenes Weib die Wohnräume gerade für einen Bildartikel über kultiviertes Leben in der Stadt »stylte«.
    Gegen Ende hatte Simon in dem Haus mehr wie ein Besucher gelebt; er hatte die Tage in seinem Büro und die Abende mit Kunden verbracht, während Caroline Einladungen gab und mit einem vorwurfsvollen Unterton in der Stimme scherzte, daß sie eine Witwe geworden sei, seit ihr Mann der Werbung zum Opfer gefallen wäre. Kam er nach Hause, bevor ihre Gäste gegangen waren, stellte ihn Caroline als ihren armen Liebling vor, der ja so hart arbeiten mußte. Doch sobald sie allein waren, stieß sie zwischen schmalen Lippen stichelnde Bemerkungen über seine Abwesenheit hervor, über seine Müdigkeit, sein Aufgehen in der Arbeit, die Vernachlässigung — ja, es gab kein anderes Wort dafür: die Vernachlässigung ihrer Person. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt zu der Anderen im Büro, Simons Sekretärin, die immer da zu sein schien, egal, wie spät Caroline auch anrief. Caroline kannte sich aus mit Sekretärinnen. Sie war selbst mal eine gewesen — immer für ihn da, voller Mitgefühl und kurz berockt, damals, als Simon sich von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen. Zu jener Zeit waren keine Klagen über das Arbeiten bis spät in die Nacht laut geworden.
    Eigentlich wußte Caroline ganz genau, daß es keine andere Frau gab. Simon hatte gar nicht genügend Privatsphäre, um einen Ehebruch zu begehen. Sein Leben hatten andere Menschen in die Hand genommen, selbst das Badewasser wurde ihm von Ernest eingelassen. Der Kampf um dieses Bad war eine der wenigen Schlachten gewesen, die Caroline verloren hatte, und seither hatte sie mit Ernest auf Kriegsfuß gestanden. Es sei etwas Anstößiges an der Beziehung zwischen den beiden Männern, pflegte sie bei ihren Anschuldigungslitaneien vorzubringen, mit denen sie ihn allabendlich bombardierte. Etwas Ungesundes.
    Ernest war jetzt schon fast zehn Jahre bei Simon; ursprünglich als sein Chauffeur, in jenen ersten Tagen, als der Fuhrpark der Firma lediglich aus einem altersschwachen Ford bestanden hatte. Ganz allmählich war er dann zum Manager von Simons Leben avanciert und ihm unentbehrlich
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