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Finale Mosel

Finale Mosel

Titel: Finale Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Gitter hinter der Rückbank wurden Fontänen bis zur Frontscheibe geschleudert.
    »Besser jetzt als heute Abend«, sagte Doris. Sie bog auf die B51 Richtung Stadt. Das Wasser schoss über den Asphalt und schwappte entlang der Bordsteine hoch.
    »Was?«
    »Das Gewitter.« Sie zeigte zur Frontscheibe, wo die Scheibenwischer mit dem Wasser kämpften. Innen beschlugen die Scheiben. Doris schaltete das Gebläse ein. »Heute Abend ist doch Premiere, oder hast du das vergessen?« Sie schob sich die nassen Haare aus dem Gesicht. »Aber auch wenn du’s vergessen haben solltest …«
    »Antikenfestspiele, die Oper …« Mit der warmen Luft breitete sich im Wagen der Geruch nach regennassem Haar von Mensch und Hund aus.
    »Elektra mit Tiefenbach, Bergmann und Jilsa.« So wie sie die Namen betonte, schien es sich um eine ganz besondere Besetzung zu handeln.
    Walde hatte sich für den Abend mit Uli und Karl zu einer Session in der Tufa verabredet. Die Opernaufführung hatte er komplett vergessen. Dabei hingen die Karten seit Monaten an der Pinnwand in der Küche. Und Marie brauchte er fürs Babysitten nicht zu fragen, denn sie würde Doris begleiten. Die Session war bereits die letzten drei Wochen ausgefallen.
    »Hast du das wirklich vergessen?«, fragte Doris
    »Was?«
    »Das müsstest du doch aus rein beruflichen Gründen schon wissen.«
    »Warum?«
    »Weil ihr da doch auch vertreten seid.«
    »Keine Ahnung, mit dem Sicherheitsdienst habe ich nun wirklich überhaupt nichts zu tun, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass da Polizei …«
    »Vielleicht kommt auch der Köhler, der ist Schirmherr. Da ist jede Menge Prominenz vertreten, Beck, der OB … und die Luxemburger Staatskapelle spielt …«
    »Gegen wen?«
    *
    Tiefenbach stieß im V.I.P.-Zelt mit Elektra und Chrysothemis an. Die Blitzlichter der Fotografen mischten sich mit denen des herannahenden Gewitters, das respektvoll gewartet hatte, bis die Aufführung zu Ende war. Es war sogar so gnädig gewesen, den Musikern und Bühnenarbeitern Zeit zu lassen, die Instrumente und die Licht- und Tontechnik in Sicherheit zu bringen.
    Im Zelt waren die Klänge des Streichquartetts bald nicht mehr dem Redeschwall der Besucher gewachsen. Der Bariton ließ sich sein Glas von der in ein weißes Gewand mit dunkelroter Schärpe gekleideten Servicekraft auffüllen. Er schaute in ihre hellen, grünen Augen. Nebenan bedankte sich Intendant und Regisseur Kehlheim, ein Champagnerglas in der Linken, ein Mikrofon in der Rechten, artig bei den Sponsoren. Und die Politiker, die Größen aus der Wirtschaft, die Reichen und Schönen prosteten ihm gönnerhaft zu.
    Tiefenbach studierte gerne das Verhalten der Menschen, aber das hier interessierte ihn nicht, das Getue kannte er nur zu gut. Als er sein Glas in einem Zug leer trank, entdeckte er ein bekanntes Gesicht.
    »Gratulation!« Sacher, der Reporter der Lokalzeitung, blieb neben ihm stehen. Der Mann hatte ihn Vorjahren in seiner Wohnung in München interviewt. Nicht zuletzt aus diesem Kontakt hatte sich der heutige Auftritt in der alten Römerstadt ergeben.
    Die Cateringdame schenkte ihnen beiden nach. Sie hatte nicht nur sehr schöne Augen, sondern auch sehr wohlgeformte Arme.
    »Und es hat Ihnen wirklich gefallen?« Die Frage an den Journalisten war wenig originell, aber so kurz nach der Vorstellung hatte Tiefenbach Schwierigkeiten, aus der anderen Welt zurückzukehren.
    »Es war grandios.«
    »Und das werden Sie auch schreiben?« Tiefenbach war noch nicht in der Realität angekommen. Der Beifall klang ihm noch in den Ohren, alle Anspannung war von ihm abgefallen und jede Faser seines Körpers schien von Endorphinen überschwemmt zu werden.
    Wieder leerte er sein Glas in einem Zug. »Sänger sind oral fixierte Menschen, die den ganzen Tag etwas aus dem Mund geben, und abends will man sich dann etwas zurückholen. Was mir jetzt noch zu meinem Glück fehlt, ist eine Portion Spaghetti.«
    »Wenn es auch Spätzle tun, wüsste ich Abhilfe.«
    Tiefenbach folgte dem Journalisten, der an der Schlange, die sich am Büffet gebildet hatte, vorbeiging, Teller und Bestecke organisierte und sich freundlich lächelnd zwischen die Leute drängte, die ihn zu kennen schienen und ihn ohne Murren gewähren ließen. Ein muffig dreinblickender Mann in Kochkluft hob den Deckel von einem großen Aluminiumbehälter, wobei ein Schwall Dampf herausdrängte. Mit einer Miene, als würde sein vom Mund abgespartes Essen gestohlen, sah er zu, wie Sacher Tiefenbachs Teller und
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