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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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den Raum schweifen, sah das verkohlte Bündel in der Ecke liegen und verzog in einer Mischung aus Trauer und Genugtuung das Gesicht. Er ging zurück an seinen Computer. Er würde den Fragebogen auswerten müssen, würde sehen müssen, was die User angekreuzt hatten und auf welche Weise Andira getötet werden sollte. Seine Blicke huschten über die Werkzeuge: Axt, Bohrmaschine, Kettensäge, Vorschlaghammer ... Doch er hatte noch ein Kommentarfeld hinzugefügt. Nur aus Neugier. Und fast noch schlimmer als die Waffen selbst waren die Vorschläge mancher User, wie er Andira töten sollte. Sogar Vladimir Schwarz war entsetzt, was scheinbar normale Menschen sich in ihren blutigen Phantasien ausmalten.
    Wer ist hier eigentlich der Normale?, überlegte er und bereitete sich auf die Sendung vor.

19.
    Clara atmete tief durch, als sie wieder auf dem Gang stand. Sie hatte die ganze Zeit die Luft angehalten, während der Namenlose den Kopf zur Tür hineingesteckt hatte. Sie hatte seine Blicke gespürt und darum gekämpft, nicht die verseuchte Benzinluft einzuatmen und erneut bewusstlos zu werden, was ihren sicheren Tod bedeutet hätte.
    Die Zeit hatte gerade noch ausgereicht. Nun atmete sie wie hysterisch die Luft im Kellergewölbe und bemühte sich dabei, nicht zu laut zu sein. Die modrige Luft kam ihr vor wie die reinste und klarste Luft, die sie jemals geatmet hatte.
    Sie schlich den Korridor entlang und bewegte sich langsam auf der Kellertreppe nach oben. Das Telefon im Wohnzimmer , dachte sie. Das Handy war zerstört, aber sie musste Winterfeld erreichen, irgendwie.
    Schließlich stand sie dort, wo sie vor Kurzem schon einmal gestanden hatte. Vor dem beigefarbenen Telefon, das von einer dicken, schmierigen Staubschicht bedeckt war. Bisher hatte sie gedacht, solche Modelle kämen nur in Horrorfilmen vor und dass diese Telefone in derartigen Filmen immer dann nicht funktionierten, wenn die Helden sich vor den Verrückten in Sicherheit bringen mussten oder wer immer ihnen auf den Fersen war.
    Doch hier war der leibhaftige Horror zu Hause. Hier gab es dieses Telefon wirklich. Genau wie die fleckige Couch, den Tisch mit der altmodischen vergilbten Tischdecke, den Staub und die Ratten.
    Clara hörte das Freizeichen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Anders als in den Horrorfilmen funktionierte der Apparat tatsächlich. Wahrscheinlich benutzte ihn der Hausmeister des Kinderheims, wenn er hier irgendwelche Materialien einlagerte oder abholte. Und der Irre, der im Kellergewölbe hauste, hatte dieses altmodische Telefon absichtlich behalten, um damit anonym, ohne Rufnummer-Erkennung, seine Opfer anzurufen.
    Clara drehte mit zitternden Fingern die Scheibe und wählte Winterfelds Nummer. Die Wählscheibe schien sich quälend langsam zu drehen.
    »Winterfeld«, meldete er sich. Noch nie war Clara so glücklich gewesen, seine Stimme zu hören.
    »Hier ist Clara«, sagte sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Wir haben ihn. Kommen Sie, so schnell es geht.« Sie nannte ihm die Adresse.
    »Das ist südlich von Mariendorf«, sagte Winterfeld aufgeregt. »Ein paar Minuten werden wir schon brauchen!«
    »Fahren Sie wie der Teufel. Und nehmen Sie das Einsatzkommando mit.«
    »Das haben wir schon, Señora«, sagte Winterfeld. Clara hörte die Freude, aber auch die Furcht, die in seiner Stimme mitschwang. »Halten Sie die Stellung.«
***
    Sie waren tatsächlich gefahren wie der Teufel.
    Nun rannten die Beamten des MEK mit Sturmgewehren die Kellertreppe hinunter und sicherten die Räume zur Rechten und zur Linken, während Winterfeld, MacDeath und Clara, die kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnte, ihnen folgten.
    Vorbei an dem dunklen Korridor.
    Vorbei an dem Verlies, in dem Clara beinahe verbrannt wäre.
    Auf den Raum zu, in dem das Ritual stattfinden sollte.
    Eine merkwürdige Stille herrschte.
    Marc brach die Tür mit dem Rammbock auf und sprang zurück, falls der Killer von drinnen mit einer Pumpgun schießen sollte.
    Doch im Raum dahinter blieb es still, sah man vom hysterischen Schluchzen Andiras ab, die gefesselt auf dem Stuhl saß, neben dem Tisch mit dem grauenvollen Sortiment an Waffen und Werkzeugen. Noch immer trug sie das weiße Kleid, das nun von grünlicher, erbrochener Galle befleckt war.
    Doch wie es aussah, war die junge Frau unverletzt.
    Zwei Beamte befreiten sie, während die anderen den langen Flur hinuntereilten, an dessen Ende sich die hohe, breite Tür befand, die Clara an die Schlafzimmertür von
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